Das Urteil im weltweit mit Spannung erwarteten Prozess gegen die Punkband Pussy Riot ist gefallen: Gericht spricht Musikerinnen schuldig.

Moskau. Das weltweit mit Spannung erwartete Urteil ist gefallen: Ein Moskauer Gericht hat die wegen religiös motovierten Rowdytums angeklagten Musikerinnen der Punk-Band Pussy Riot schuldig gesprochen. Das Strafmaß sollte später am Freitag bekannt gegeben werden. Die Staatsanwaltschaft hat drei jahre Haft beantragt. Die drei Frauen hatten im Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale mit einem sogenannten Punk-Gebet gegen den damaligen Regierungschef und jetzigen Präsidenten Wladimir Putin protestiert.

+++ Demo für Pussy Riot seit 12 Uhr vor dem Oberlandesgericht +++

+++ Richterin braucht Leibwächter - Urteil setzt Ton für Putins Amtszeit +++

Mit dem Spruch verkündete Richterin Syrowa aus Sicht von Unterstützern der Angeklagten auch ein Urteil über die Toleranz Putins gegenüber der Opposition. Nach Meinung der Kritiker steht der Prozess für die Gefährdung von Freiheitsrechten und das enge Verhältnis zwischen Staat und orthodoxer Kirche, deren Patriarch Kiril Putins Präsidentschaft als „Wunder Gottes“ preist.

Das Gerichtsverfahren gegen Maria Aljochina, Jekaterina Samuzewitsch und Nadeschda Tolokonnikowa war im Ausland auf erhebliche Kritik gestoßen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte Russland auf, die Freiheit der Kunst zu achten. Der evangelische Auslandsbischof Martin Schindehütte sprach sich für einen Freispruch der Bandmitglieder aus. Auch in Moskau gab es Solidaritätsbekundungen für die drei Musikerinnen.

Für die Musikerinnen im Alter von 22, 24 und 30 Jahren setzten sich Popstars wie Madonna oder Paul McCartney ein. Die USA sprachen von einem politisch motivierten Prozess und auch die Bundesregierung kritisierte den Umgang des russischen Staates mit der Meinungsfreiheit. Die andauernde Untersuchungshaft der drei jungen Frauen sei unverhältnismäßig, monierte der Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning. Ihre Aktion sei allenfalls als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Weltweit wurde für Freitag zur Unterstützung für Pussy Riot aufgerufen, darunter auch in mehreren deutschen Städten wie Berlin und München.

Dass ein hartes Urteil gegen die Frauen, von denen zwei kleine Kinder haben, auch seinem Ansehen schaden würde, hat wohl auch Putin erkannt. Mitten im laufenden Verfahren plädierte der studierte Jurist Putin für Milde. Die Verteidiger von Pussy Riot sind überzeugt, dass das Urteil nicht vom Gericht geschrieben, sondern vom Präsidialamt diktiert wurde.

Vor der Urteilsverkündung hatte die Moskauer Polizei am Freitag die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Das Gebäude des Chamowniki-Gerichts im Zentrum Moskaus wurde mit Metallbarrieren abgeriegelt. Die Polizei nahm bei Protesten vor dem Gericht den Oppositionsführer Sergej Udalzow festgenommen. Das berichtete die Nachrichtenagentur Interfax kurz vor der Urteilsverkündung am Freitag. Udalzow überschritt demnach eine Absperrung der Polizei vor dem Eingang des Gerichtsgebäudes und wurde nach kurzer Verhandlung mit den Beamten abgeführt.

Der inhaftierte Kreml-Kritiker und frühere Ölmilliardär Michail Chodorkowski warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, den Prozess zur Einschüchterung der Opposition zu missbrauchen. „Das Ziel ist es, Kritikern des Regimes eine Lektion zu erteilen“, erklärte Chodorkowski in einem am Freitag in der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten Interview. Das Gericht werde „nur ein Urteil bestätigen, das anderswo aufgeschrieben wurde – in der Staatsanwaltschaft oder irgendeiner anderen staatlichen Instanz“, sagte Chodorkowski in dem nach Angaben der Zeitung über Monate schriftlich geführten Interview. Chodorkowski war einst der reichste Mann Russlands.

Zitate zum Fall Pussy Riot

„Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin!“ (Die Punkband Pussy Riot in dem „Punkgebet“ gegen Wladimir Putin am 21. Februar in der Erlöserkathedrale in Moskau)

„Ich hoffe, dass sich so etwas nicht mehr wiederholt.“ (Wladimir Putin in einem Kommentar zu der Aktion am 7. März, kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten)

„Der Teufel hat uns alle ausgelacht.“ (Patriarch Kirill, Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, am 24. März in einer Reaktion auf die „Gotteslästerung“)

„Damit haben sie auf gotteslästerliche Weise an den jahrhundertealten Grundfesten des Russisch-Orthodoxen Kirche gerüttelt.“ (Aus der Anklage der Generalstaatsanwaltschaft im Juli)

„Ich bin überzeugt, dass Gott das verurteilt, was sie gemacht haben. Ich bin überzeugt, dass diese Sünde in diesem Leben und im künftigen Leben bestraft wird.“ (Der Chefideologe der russisch-orthodoxen Kirche, Wsewolod Tschaplin, im Juni auf die Frage, ob Pussy Riot bestraft werden sollte)

„Hätte Pussy Riot gerufen: „Mutter Gottes, gib uns Putin noch für ein Jahrhundert!“ - dann hätten sie den Mädchen einen Orden gegeben.“ (Die prominente russische Schauspielerin Lija Achedschakowa in einem Interview mit dem russischen Fernsehsender Doschd)

„Das ist radikale Kunst. Das ist Jugendkunst. Sie hat das Recht, so zu sein, wie sie ist.“ (Die russische Schriftstellerin Ljudmila Ulizkaja in einem Interview zum Fall Pussy Riot)

„Das ist ein politischer Gewaltakt, Rache.“ (Der russische Oppositionspolitiker und frühere Vizeregierungschef Boris Nemzow am 30. Juli über den Prozess gegen Pussy Riot)

„Das Wort „Richten“ wird hier nur in dem Sinne gebraucht, wie ihn auch mittelalterliche Inquisitoren verwendet haben.“ (Der inhaftierte Kremlgegner Michail Chodorkowski in einem am 6. August im Internet veröffentlichten Kommentar zum Verfahren)

„Sie sind völlig verrückt geworden. Es ist eine Schande, was der Staatsanwalt gefordert hat.“ (Die Grande Dame der russischen Menschenrechtsbewegung, Ljudmila Alexejewa von der Moskauer Helsinki-Gruppe, am 7. August zur Forderung der Anklage nach drei Jahren Haft)

Mit Material von dpa, dapd, epd und rtr