Die Gesandten des Internationalen Gerichtshofs waren für ein Treffen mit dem inhaftierten Gaddafi-Sohn Saif al-Islam eingereist. IStGH besorgt.

Den Haag/Kairo. Unter Missachtung der diplomatischen Immunität hat Libyen vier Mitarbeiter des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) festgesetzt. Milizvertreter warfen den Juristen unverhohlen vor, mit dem inhaftierten Diktatorsohn Saif al-Islam Gaddafi gemeinsame Sache zu machen und zu spionieren. Der IStGH-Präsident Sang-Hyun Song forderte Libyen zur sofortigen Freilassung der vier Mitarbeiter auf. „Wir sind sehr besorgt um die Sicherheit unserer Mitarbeiter, zu denen es überhaupt keinen Kontakt gibt“, erklärte er.

+++ Streit um Gaddafi-Prozess? Vier Mitarbeiter des IStGH festgenommen +++

Das libysche Außenministerium rief den Gerichtshof in Den Haag auf, die Immunität seiner Mitarbeiter aufzuheben. Danach werde Libyen den Fall untersuchen.

Die IStGH-Delegation war am Mittwoch nach Libyen eingereist und hatte Saif al-Islam Gaddafi in Al-Sintan im Gefängnis aufgesucht. Anschließend wurde sie am Donnerstag festgesetzt. Seitdem fehlt dem Gerichtshof zufolge jeder Kontakt zu der Delegation um die australische Anwältin Melinda Taylor.

„Bei dem Besuch (der Gerichtsdelegation im Gefängnis) wurden geheime Dokumente ausgetauscht, darunter ein von Saif al-Islam blanko unterzeichnetes Papier“, erklärte der Milizkommandeur Adschmi al-Uteiri in Al-Sintan dem Nachrichtensender Al-Dschasira zufolge. Der Gaddafi-Sohn erkläre in den Dokumenten, dass es keine rechtmäßige Regierung in Libyen gebe und er schlecht behandelt werde. Als die vier Besucher nach dem Gefängnisbesuch untersucht worden seien, habe man Briefe gefunden, „die ihnen von Saif al-Islam gegeben worden waren, um sie einem seiner Helfer zu übermitteln“. Auch Spionage-Ausrüstung sei sichergestellt worden.

Taylor wurde dem Milizkommandeur zufolge nicht ins Gefängnis gebracht, sondern steht unter Hausarrest. Das australische Außenministerium erklärte, es bemühe sich um konsularische Hilfe für Taylor und um Klarstellungen der libyschen Regierung.

IStGH-Präsident Sang-Hyun Song erinnerte Libyen daran, dass die Delegation in offiziellem Auftrag des Gerichts unterwegs sei und Immunität genieße. Libyen sei nach der Resolution 1970 des UN-Sicherheitsrates zudem verpflichtet, umfassend mit dem IStgH zusammenzuarbeiten.

Das Gericht hatte zwei Tage gewartet, bis es Medienberichte über den Vorfall bestätigte. Die libysche Nachrichtenagentur Solidarity Press hatte unter Berufung auf einen libyschen Rechtsanwalt die Festnahme der Australierin wegen Besitzes illegaler Dokumente gemeldet.

Saif al-Islam Gaddafi ist ein Sohn des gestürzten und getöteten Machthabers Muammar al-Gaddafi. Der 39-Jährige war im November 2011 im Süden Libyens nahe der Grenze zum Niger gefasst worden. Sein Vater war einen Monat zuvor bei der Einnahme seiner Heimatstadt Sirte von Rebellen getötet worden. Der IStGH hat gegen Saif al-Islam Gaddafi internationale Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen. Die neuen Machthaber wollen ihn aber im Lande richten und nicht an Den Haag überstellen.

Die libysche Regierung bekommt die Sicherheitslage nicht in den Griff. Bei Gefechten zwischen Milizen und Stammeskämpfern wurden in Kufra im Südosten des Landes mindestens 17 Menschen getötet. Kämpfer der schwarzafrikanischen Minderheit der Tabu hätten ein Milizbüro angegriffen, berichtete Solidarity Press am Sonntag. Unter den Toten seien 15 Stammeskämpfer und zwei Männer der (eigentlich aufgelösten) Miliz Bataillon Libyscher Schild. Die auch mit Panzern geführten Gefechte hätten am Freitag begonnen. Die Stadt Kufra mit 40 000 Einwohnern war im Februar Schauplatz heftiger Gefechte zwischen den Tabu und dem arabischen Stamm der Swai gewesen.

Mit Material von dpa