Stabilität oder Chaos? Euro oder Drachme? Die Zeit in Griechenland verrinnt. Jetzt ist eine Übergangsregierung in Amt . Am 17. Juni wird neu gewählt. Ohne Kredite ist das Land zwei Wochen später pleite.

Athen/Brüssel. Gefährliches Machtvakuum in Griechenland: In Athen sind am Donnerstag eine Übergangsregierung und das am 6. Mai gewählte Parlament vereidigt worden. Die 300 Abgeordneten werden ihr Mandat aber nur kurz ausüben. Spätestens an diesem Samstag soll das Parlament wieder aufgelöst werden. Hauptaufgabe der Interimsregierung unter Ministerpräsident Panagiotis Pikrammenos ist die Vorbereitung von Neuwahlen am 17. Juni.

Die Anfang der Woche aufgekeimte Angst vor einem Ansturm auf die Banken und einem Kollaps des Finanzsystems scheint zunächst ausgestanden. Während des dramatischen Ringens um eine neue Regierung sollen die Bürger Anfang der Woche an einem einzigen Tag fast eine Milliarde Euro abgehoben haben. Am Donnerstag liefen die Bankgeschäfte nach Angaben von Beobachtern normal.

Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte des Landes wurden am Donnerstag auch Faschisten im Parlament vereidigt. Die 21 Abgeordneten der „Goldenen Morgenröte“ betraten das Parlament im militärischen Gleichschritt in Zweieraufstellung, wie Augenzeugen berichteten. Die Partei hatte bei den Wahlen knapp sieben Prozent bekommen.

In der vom höchsten Richter des Verwaltungsgerichtshofes geführten Übergangsregierung übernimmt Georgios Zannias das wichtige Finanzressort. Der hohe Beamte hat eng mit allen bisherigen Finanzministern zusammengearbeitet und Griechenland in den vergangenen Jahren bei allen wichtigen Treffen in der EU vertreten. Mit dem Außenministerium wurde der erfahrene Karrierediplomat Petros Molyviatis betraut.

Nun sollen die Griechen in einem Monat erneut wählen. Die zweite Parlamentswahl innerhalb von sechs Wochen dürfte auch über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone entscheiden. Falls radikale Parteien, die das Sparpaket der bisherigen Regierung ablehnen, weiter zulegen, droht dem Land ein Stopp der internationalen Hilfen und damit auch der Staatsbankrott. Ohne internationale Hilfen ist das Land Ende Juni pleite.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schloss Neuverhandlungen mit Griechenland über das europäische Hilfspaket aus. „Es wird durch Wiederholung nicht besser“, sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Wenn das Land in der Eurozone bleiben wolle, müsse in Athen eine handlungsfähige Regierung sitzen, die den eingeschlagenen Weg mitgehe. „Jetzt muss Griechenland selber die Entscheidung treffen.“

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso warnte die Griechen davor, sich vom Euro und von der EU abzuwenden. „Alle Verpflichtungen, die Griechenland und die Mitglieder der Eurozone übernommen haben, müssen respektiert werden“, sagte er in Brüssel. „Die Wahrheit ist, dass es keinen leichteren Weg gibt.“

Der SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die Entwicklung in Griechenland als „besorgniserregend“. Wer jetzt in Populismus verfalle und leichtfertig über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro spekuliere, spiele ein gefährliches Spiel, erklärte Steinmeier am Donnerstag in Berlin. „Die griechischen Wählerinnen und Wähler haben es in der Hand. Ganz Europa hofft auf eine kluge und verantwortliche Entscheidung. Nicht nur für Griechenland hängt viel davon ab.“

Angesichts der Schuldenkrise ziehen immer mehr Menschen aus den südeuropäischen Schuldenstaaten nach Deutschland. Aus Griechenland kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vergangenes Jahr rund 23 800 Einwanderer – das waren 90 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Aus Spanien zogen etwa 20 700 Menschen und damit 52 Prozent mehr in die Bundesrepublik um. (dpa)