Oslo. Sie haben ein unglaubliches Blutbad überlebt. Sie wurden angeschossen, stellten sich tot, blickten einem kaltblütigen Mörder in die Augen. Doch jetzt kann Anders Behring Breivik den Überlebenden des Massakers auf der norwegischen Fjordinsel Utøya keine Angst mehr machen. "Ich erlebe ihn nicht mehr als beängstigend", sagt Håkon Roalsø in die Fernsehkameras. Die Überlebenden sehen Breivik vor Gericht, machtlos, unsicher. Die souveräne Staatsanwältin Inga Bejer Engh nimmt ihn auseinander.

Sie lässt sich nicht provozieren, sie rupft sein Manifest auseinander, lässt sein irres Weltbild bröckeln. Breivik hat sichtlich Angst, als lächerlich dargestellt zu werden. Immer wieder beschwert er sich, er werde bloßgestellt. Das hilft auch den Angehörigen der 77 Todesopfer. Auch am dritten Prozesstag sitzen noch viele im Gerichtssaal.

Die Überlebenden des Massakers von Utøya verfolgen den Prozess in einem eigenen Raum. Sie alle durchleben ihre schlimmsten, grausamsten Stunden noch einmal. Die meisten tragen Aufkleber mit der Aufschrift "no interviews" - sie wollen in diesen schwierigen Momenten mit ihren starken Gefühlen unter sich bleiben.

"Es ist interessant zu sehen, wie dieser Mann, der uns und unseren Familien so unglaublich wehgetan hat, eine Wirklichkeit aufgebaut hat, die jetzt mehr und mehr zusammenbricht", sagt Christin Bjelland von der nationalen Unterstützergruppe für Angehörige. Ihr Sohn Vebjørn konnte sich von Utøya retten. Jetzt erlebt sie, wie Staatsanwältin Engh, 41, Breiviks Hirngespinsten Fakten entgegensetzt.

Die Vertreterin der Anklage spricht mit dem Massenmörder fast wie mit einem Kind. Das mache sie vor Gericht immer so, hatte die Frau erklärt. Sie wolle ihn aber nicht lächerlich machen, versichert sie Breivik mehrmals - und schafft es mit sachlichen Fragen doch, den Attentäter immer wieder bloßzustellen. Der Massenmörder hatte die sozialdemokratische Jugend mit der Hitlerjugend verglichen und behauptet, es seien keine unschuldigen Kinder gewesen, die er getötet habe. Der Schrecken war hörbar im Gerichtssaal. Inzwischen aber sieht man viele - zwischen all der Trauer - auch über Breiviks wirre Aussagen lachen.