Dafür geben China und Russland immer mehr Geld für Waffen aus, errechnet das Friedensforschungsinstitut Sipri.

Hamburg. Die globale Finanzkrise schlägt auch auf die Rüstungsausgaben durch: Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt sind die weltweiten Militärausgaben im Jahr 2011 nicht mehr dramatisch gewachsen, sondern mit einem Anstieg um nur noch 0,3 Prozent nahezu unverändert geblieben.

Nach der jüngsten Studie des renommierten Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri lagen die Rüstungsausgaben aller Staaten der Erde im vergangenen Jahr zusammengerechnet bei 1,74 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Deutschlands gesamte angehäufte Schulden betragen umgerechnet rund 2,7 Billionen Dollar. Sipri berücksichtigte neben den Ausgaben für neue Waffen auch die Kosten für Einsätze und Truppenverwaltung sowie für die Gehälter der Soldaten.

Von den Staaten mit einem besonders hohen Militärhaushalt kürzten vor allem die USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Brasilien und Indien ihre Rüstungsausgaben. In den USA führten vor allem die langwierigen und zähen Verhandlungen im Kongress über den Haushalt 2011 zu einem Rückgang - der sich angesichts der US-Truppenreduzierung in Afghanistan und des im vergangenen Jahr verabschiedeten Gesetzes zur Haushaltskontrolle in diesem Jahr weiter fortsetzen dürfte.

Die Militärausgaben der USA verringerten sich leicht um 1,2 Prozent, liegen aber mit rund 711 Milliarden Dollar nach wie vor einsam an der Spitze aller Rüstungsetats der Welt. Deutschlands Militärausgaben sanken um 3,5 Prozent auf rund 47 Milliarden Dollar.

Damit fiel die Bundesrepublik hinter Saudi-Arabien auf den neunten Platz in der Rangliste der Staaten mit den höchsten Militärausgaben zurück.

Ungeachtet der Finanzkrise erhöhten jedoch China und Russland ihre Militärausgaben erheblich. Chinas Rüstungsetat wuchs zwar nicht mehr zweistellig wie in den vergangenen Jahren, stieg jedoch immerhin noch um 6,7 Prozent auf geschätzte 143 Milliarden Dollar an. Damit liegt China hinter den USA auf Platz zwei. Russland schob sich mit einem Zuwachs um 9,3 Prozent auf 72 Milliarden Dollar auf den dritten Platz der Rangliste vor.

Es folgen Großbritannien (62,7 Milliarden), Frankreich (62,5), Japan (59,3), Indien (48,9), Saudi-Arabien (48,5), dann Deutschland und auf dem zehnten Platz Brasilien mit 35,4 Milliarden Dollar. China und Russland sind vor allem bestrebt, ihre Streitkräfte zu modernisieren; das chinesische Militär ist zwar mit einer Kopfstärke von 2,27 Millionen Mann das bei Weitem größte der Welt; es liegt aber waffentechnisch noch zwei bis drei Generationen hinter den USA zurück. Russland will seine Streitkräfte, die nach dem Zerfall der Sowjetunion in einer desolaten Verfassung waren, bis 2020 umstrukturieren und die alte Ausrüstung aus Sowjetzeiten ersetzen beziehungsweise modernisieren. Wie bei China wird auch bezüglich der russischen Militärausgaben für die kommenden Jahre mit einem weiteren starken Wachstum gerechnet. China kauft im Übrigen seine Waffen zu drei Vierteln in Russland ein. Die Rüstungsausgaben des Reiches der Mitte sind im vergangenen Jahrzehnt vermutlich um fast 200 Prozent gestiegen.

Betrachtet man die Militärausgaben der Welt aufgeteilt nach Regionen, so legten die Etats in Afrika um 8,6 Prozent zu. Dabei gibt es allerdings erhebliche Unterschiede: Während etwa Simbabwe 50 Prozent und Algerien 44 Prozent mehr für Waffen ausgaben, sank der Militäretat von Ghana um 23 Prozent und der von Kenia um 16 Prozent. Nord- und Südamerika gaben insgesamt 1,4 Prozent weniger aus - Paraguay wendete allerdings 34 Prozent mehr für Rüstung auf als im Vorjahr.

+++ Kommentar: Weltweite Aufrüstung +++

In Asien und Ozeanien wuchs der Gesamtetat moderat um 2,4 Prozent. Das Bürgerkriegsland Afghanistan gab allerdings 34 Prozent mehr aus als 2011, die Philippinen dagegen fast neun Prozent weniger, der Etat von Vietnam sank um nahezu sieben Prozent.

Der Zuwachs im gesamten Europa betrug im vergangenen Jahr nur schmale 0,2 Prozent - in West- und Mitteleuropa sank er um knapp zwei Prozent, in Osteuropa stieg er indessen stark um mehr als zehn Prozent an.

Der Nahe Osten gab 4,6 Prozent mehr für Rüstung aus. Der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, sagte in Kassel, pro Tag würden auf der Welt 3,4 Milliarden Euro für militärische Zwecke ausgegeben. Dem stünden 24 000 Kinder gegenüber, die täglich aus Mangel an Nahrung, sauberem Wasser oder medizinischer Versorgung sterben müssten. Das sei ein Skandal.

Der zunehmende Kampf um Bodenschätze und Ressourcen dürfte in Asien, Afrika und Südamerika zu einem weiteren Anstieg der Rüstungsausgaben führen. Die Lage könnte sich dramatisch zuspitzen, falls der Iran tatsächlich ein Atomwaffenprogramm auflegen würde. Dann würden Israel sowie Irans Erzrivale Saudi-Arabien, aber auch andere Staaten in ein Wettrüsten eintreten. Ähnliches könnte sich in Ost- und Südostasien ereignen, falls Nordkorea seine Atomrüstung politisch aggressiv gegenüber Südkorea und dem Nachbarn Japan nutzen würde.

Die Zahlen des 1966 von der schwedischen Regierung als Stiftung gegründeten Stockholmer Sipri-Institutes gelten als sehr zuverlässig. Sie waren eine von allen beteiligten Staaten anerkannte Grundlage für die Abrüstungsverhandlungen zwischen Ost und West im Kalten Krieg und nach dessen Ende.