Das Assad-Regime behält sich Mitspracherecht vor; Opposition ist skeptisch. Die Gewalt geht trotz vereinbarter Waffenruhe weiter.

Hamburg. Auf der Beobachtermission der Vereinten Nationen für Syrien lasten die wohl letzten Hoffnungen der Staatengemeinschaft auf eine Beendigung des Blutbades - doch nach der Einreise des fünfköpfigen Vorauskommandos begann gestern zunächst einmal der nervenzehrende Kleinkrieg mit dem syrischen Regime. Die unter anderem aus Finnland, den Niederlanden und Indien stammende Gruppe um den marokkanischen Oberst Ahmed Himmiche erörterte mit Vertretern des Außenministeriums in Damaskus zunächst die Eckpunkte der Mission: Wie viele Beobachter sollen wann kommen, wo eingesetzt werden und wie viel Bewegungsfreiheit im Lande haben?

"Die syrische Regierung ist für die Sicherheit der Beobachter verantwortlich - und dies setzt voraus, dass sie ihre Operationen mit uns abstimmen", betonte Regierungsberaterin Buthaina Schaaban in Damaskus. Auch behalte sich die Regierung ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Nationalitäten der Beobachter vor. Syrien will zum Beispiel keine Beobachter aus Katar, Saudi-Arabien oder der Türkei, weil deren Regierungen Assads Vorgehen hart kritisiert haben.

Wenn die Beobachter ihre Fahrten vorher mit dem Regime absprechen sollen, bedeutet dies allerdings auch, dass die Armee gewarnt ist und brutale Aktionen so lange zurückstellen kann.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte die Mission am Sonnabend in New York beschlossen. Verglichen mit der bisherigen Blockadesituation im höchsten Uno-Gremium war das bereits ein Fortschritt - Russland, der alte Verbündete und Hauptwaffenlieferant des Regimes von Staatspräsident Baschar al-Assad, sowie China hatten bis dahin jegliche Maßnahmen gegen Damaskus abgelehnt. Doch angesichts des andauernden Massakers an Oppositionellen und der blutigen Kämpfe zwischen Regimetruppen und den Rebellen der Freien Syrischen Armee wankt selbst die hartleibige Haltung Moskaus. Die Russen fürchten, mitsamt ihren syrischen Schützlingen politisch isoliert zu werden. Nur das Mullah-Regime in Teheran, das wegen seines undurchsichtigen Atomprogramms selbst am Pranger steht, ist noch ein Verbündeter Assads.

+++Uno-Beobachter nehmen Arbeit auf - Kämpfe halten an+++

+++Assad lässt trotz Waffenruhe auf Oppositionelle schießen+++

Nachdem eine Beobachtermission der Arabischen Liga kläglich an den Täuschungsmanövern und der Hinhaltetaktik des syrischen Regimes gescheitert war, soll es nun die Uno richten. Dem Vorauskommando sollen in den nächsten Tagen erst einmal 25 bis 30 weitere Beobachter folgen. Sie sollen ein Hauptquartier aufbauen und Kontakte zu den Assad-Truppen und zu den Rebellen knüpfen. Später soll die Mission bis auf mehr als 250 Beobachter aufgestockt werden.

Die Rebellen beurteilen deren Erfolgschancen allerdings skeptisch. "Was sind denn schon 250 Beobachter in einem so großen Land", fragte ein Oppositioneller aus Idlib. "Syrien ist schließlich nicht das Kosovo." Die Zahl der Beobachter reiche nicht aus, um sich ein genaues Bild der Lage zu machen.

Und dieses Bild ist weiterhin düster. Auch während der Ankunft der ersten Beobachter ging die Gewalt in Syrien weiter. Regimegegner und Menschenrechtler berichteten von anhaltendem Granatfeuer auf zwei Wohnviertel der Rebellenhochburg Homs. Mehr als 30 Menschen sollen ums Leben gekommen sein. Augenzeugen berichteten, Gebäude stünden in Flammen. Vor Ausrufung der Waffenruhe am Donnerstag waren pro Tag zwischen 60 und 120 Tote gezählt worden. Die Waffenruhe und ein Truppenabzug aus den Städten gehören zum Sechs-Punkte-Programm des Uno-Sondergesandten und früheren Uno-Generalsekretärs Kofi Annan, das beide Seite zumindest offiziell im Prinzip akzeptiert haben.

Allerdings erklärte das Regime gestern, die Regierung betrachte es "weiterhin als ihre Pflicht, die Bürger vor den Machenschaften bewaffneter terroristischer Banden zu beschützen".

Die Opposition sieht darin einen Vorwand dafür, trotz der Vereinbarungen mit der Uno weiter die Rebellenarmee und jede organisierte Gegnerschaft zu Baschar al-Assad mit Gewalt zerschlagen zu können. Nach ihrer Ansicht spielt Assad auch in diesem Fall auf Zeit. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon befürchtet mit Blick auf die Vorgänge in Homs bereits einen Fehlschlag der Mission. "Die Entwicklung ist sehr instabil", sagte Ban nach einem Gespräch mit EU-Kommissionschef José Manuel Barroso in Brüssel. "Jeder kleinste und selbst unbeabsichtigte Vorfall könnte den Prozess scheitern lassen." Die ganze Welt blicke "mit skeptischen Augen auf Syrien", um zu sehen, ob die Waffenruhe halte, fügte Ban hinzu. Nach seinen Angaben sind bereits mindestens eine Million Menschen innerhalb von Syrien aufgrund des Konflikts vertrieben worden. Zehntausende Syrer haben sich vor den Kämpfen in Auffanglager in Nachbarstaaten gerettet, die meisten in die Türkei. Ankara erwägt schon die Einrichtung einer Pufferzone. Es wird geschätzt, dass dem seit 13 Monaten andauernden Konflikt bislang fast 10 000 Menschen zum Opfer gefallen sind.