Der mutmaßliche Attentäter verschanzt sich weiter in einem Haus im Viertel Croix-Daurade. Zermürbungstaktik der Polizei bislang erfolglos. Frankreich will Merah lebend ergreifen.

Toulouse/Paris. Die Polizei in Toulouse will den umstellten mutmaßlichen Attentäter Mohamed Merah offenbar mit Zermürbung zur Aufgabe zwingen. Die Sicherheitskräfte belagerten das Mehrfamilienhaus, in dem sich der Mann verschanzt hat, auch am Donnerstagmorgen und damit seit mehr als 24 Stunden. In der Nacht hatte es Explosionen aus Richtung des Hauses gegeben, Berichte über den Beginn einer Erstürmung hatte das Innenministerium aber zurückgewiesen. Es gehe lediglich darum, den Verdächtigen einzuschüchtern, hatte ein Sprecher erklärt. Er habe offenbar seine Meinung geändert und wolle sich nicht ergeben.

Die Behörden erklärten aber, ein Versuch, die Wohnung zu stürmen, sei nicht im Gange. "So einfach ist das nicht“, sagte Staatsanwalt Michel Valet. "Wir warten.“ Aus Kreisen des Innenministeriums verlautete, der Verdächtige habe sich nicht an seine vorherige Ankündigung gehalten, sich zu ergeben. Die Polizei habe daraufhin die Fensterläden vor einem Fenster seines Hauses gesprengt, um ihn unter Druck zu setzen, sich doch noch zu stellen.

Verteidigungsminister Gerard Longuet hatte am Mittwochabend dem TV-Sender TF1 gesagt, man wolle den mutmaßlichen Attentäter lebend ergreifen, um ihn vor Gericht stellen zu können. "Wir wollen seine Beweggründe erfahren und hoffentlich herausbekommen, wer seine Komplizen sind, falls es welche gibt.“

Dem 24-jährigen Mohamed Merah wird vorgeworfen, für das Attentat am Montag verantwortlich zu sein. Dabei wurden drei Kinder und ein Lehrer vor einer jüdischen Schule erschossen. Außerdem steht er im Verdacht, Tage zuvor drei Fallschirmjäger getötet zu haben, die wie er aus Nordafrika stammten.

Merah handelte nach eigenem Bekunden im Namen von al-Qaida. Der Franzose algerischer Herkunft gab Auslandseinsätze der französischen Armee und Rache für den Tod palästinensischer Kinder als Motiv an. Im Telefonkontakt mit der Polizei habe er zugegeben, dass er schon für Mittwoch einen weiteren Anschlag gegen einen Soldaten geplant hatte. Zudem habe er zwei Polizisten töten wollen.

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Mehrere Personen aus seinem Umfeld wurden festgenommen, darunter waren die beiden Schwestern und Brüder sowie die Mutter des Mannes. Ein Bruder sympathisiere mit den extremistischen Salafisten, die Mutter habe seit längerem wegen ihrer Nähe zu radikalen Salafisten unter Beobachtung gestanden, sagte Innenminister Claude Guéant. Er betonte jedoch, dass der Verdächtige bei seinen Taten allein gehandelt habe. Die Geheimdienste hätten ihn schon seit längerem beobachtet.

Im Gespräch mit Polizisten bedauerte der Mann am Mittwoch, nicht noch mehr Menschen getötet zu haben , wie der zuständige leitende Staatsanwalt François Molins in Toulouse sagte. Er habe sich gerühmt, Frankreich in die Knie gezwungen zu haben. Den Ermittlern zufolge fand die Polizei einen Motorroller, mit dem der Verdächtige wohl zu den Orten seiner Verbrechen fuhr, sowie eine Kamera, mit der er seine Taten möglicherweise filmte. Noch gesucht wurde ein Auto, in dem Waffen und Sprengstoff vermutet wurden.

Bei einer Trauerfeier für die Soldaten in einer Kaserne in der Stadt Montauban rief Präsident Nicolas Sarkozy die Franzosen am Mittwoch zur Geschlossenheit auf. Dies schuldeten die Bürger den Opfern. Das Staatsoberhaupt sprach im Zusammenhang mit den Anschlägen auf die Soldaten von einer "terroristischen Exekution“.

Anwalt: Merah war nicht in Afghanistan in Haft

Unterdessen haben Merahs Anwalt und die Regionalregierung in Kandahar Berichte dementiert, nach denen der mutmaßliche Attentäter von Toulouse 2007 nicht in einem afghanischen Gefängnis gesessen habe.Anwalt Christian Etelin erklärte, sein Mandant habe vom Dezember 2007 bis September 2009 wegen bewaffneten Raubes in einem französischen Gefängnis gesessen. Damit könne er in der fraglichen Zeit nicht in Afghanistan inhaftiert gewesen sein.

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Auch das Büro des Gouverneurs von Kandahar wies die Darstellung einer Haft Merahs dort zurück. Solche Berichte seien ohne Basis, sagte der Sprecher des Gouverneurs, Ahmad Jawed Faisal. "Die Sicherheitskräfte in Kandahar haben niemals einen französischen Staatsbürger mit Namen Mohamed Merah inhaftiert.“

Der Chef der Haftanstalt in Kandahar, Ghulam Faruk, hatte am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, Merah sei am 19. Dezember 2007 festgenommen und zu drei Jahren Haft verurteilt worden, weil er Bomben legte. Er sei aber im Juni 2008 bei einem Massenausbruch entkommen.

Mit Material von dpa, rtr und dapd