Brücken bauen: Mit Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt soll Dänemarks Verhältnis zu Deutschland und Europa wieder besser werden.

Berlin. Seit Dänemark am ersten Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, gibt es einen viel zitierten Satz von Nicolai Wammen. Er ist der neue und erste Europaminister in der dänischen Regierung und will, dass sein Land während der nächsten sechs Monate "bridge over troubled waters" ist, also eine Brücke über aufgewühltes, schwieriges Wasser.

In Anlehnung an den alten Song des amerikanischen Folk-Duos Simon and Garfunkel meint Wammen damit, dass Dänemark in den turbulenten Zeiten der europäischen Schuldenkrise Brücken bauen will. Vor allem zwischen Euro-Ländern und Nicht-Euro-Ländern, zwischen denen sich im Zuge der Rettungsverhandlungen des Gespanns Angela Merkel und Nicolas Sarkozy tiefe Gräben aufgetan hatten. Das Vorpreschen der deutschen Bundeskanzlerin und des französischen Staatspräsidenten war vor allem Großbritannien ein Dorn im Auge.

+++ Dänemark ist neuer EU-Ratspräsident +++

Dem kleinen Land im Norden Europas steht keine leichte Aufgabe bevor. Es steht in einigen Bereichen der EU seit jeher außen vor - die Krone ist nach wie vor Zahlungsmittel, an Militäreinsätzen der EU beteiligen sich die Dänen nicht, auch beim gemeinsamen Rechts- und Justizwesen gehen sie zum Teil einen Sonderweg. Und dann ist da noch eine ausgeprägte Europa-Skepsis bei der Bevölkerung, die durch die Schuldenkrise noch verstärkt wurde. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung lehnen den Euro weiterhin ab.

Das Brückenbauen erfolgt also auch in eigenem Sinne - und entspricht ganz den Vorstellungen der sozialdemokratischen Regierung unter Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, die nach den Wahlen im September die von den Rechtspopulisten gestützte liberalkonservative Regierung abgelöst hat. Eine ihrer ersten, fast schon symbolischen Amtshandlungen: die Abschaffung der umstrittenen Grenzkontrollen, die in Deutschland sogar einige Politiker dazu veranlasst hatte, zum Urlaubsboykott gegen den nördlichen Nachbarn aufzurufen.

Mit Thorning-Schmidt ist vieles anders. Und auch die deutsch-dänischen Beziehungen sollen wieder besser werden. "Die Entscheidung der Regierung Thorning-Schmidt, die Pläne für permanente Zollkontrollen nicht weiter zu verfolgen, haben wir als ein klares Bekenntnis zu den gemeinsamen europäischen Errungenschaften sehr begrüßt", sagte Michael Link (FDP), Staatsminister im Bundesaußenministerium, dem Abendblatt. "Das deutsch-dänische Verhältnis ist von besonderer Nähe und Vielfalt geprägt: Kulturell, gesellschaftlich und ökonomisch sind wir uns sehr nah. Mit dem Bau der Fehmarnbelt-Querung werden wir uns noch näher sein. Dieses Potenzial sollten wir nutzen, um unsere Zusammenarbeit weiter auszubauen." Auch Link ist noch relativ neu in seinem Amt - Ende Januar hat der bisherige Europapolitiker die Nachfolge von Werner Hoyer (FDP) angetreten, der Anfang des Jahres als Präsident zur Europäischen Investitionsbank (EIB) gewechselt war. Sein erster Antrittsbesuch führte Link kurz nach seiner Amtsübernahme nach Kopenhagen, "um zu zeigen, dass sich Dänemark voll auf unsere Unterstützung verlassen kann". Am Freitag hat er Europaminister Wammen zu einem Strategiegespräch in Berlin empfangen.

"Die deutsch-dänischen Beziehungen sind sehr eng und vertrauensvoll: Gerade in europapolitischen Fragen suchen wir den Schulterschluss mit der dänischen Präsidentschaft, um die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam zu meistern", so Link. Dänemark hatte sich für seine Ratspräsidentschaft eigentlich vorgenommen, unter anderem das Leitziel eines grünen Europa zu verfolgen, weitere Priorität war die Sicherheit in dem Staatenbündnis. Jetzt wird es jedoch vor allem darum gehen, die Krise zu bewältigen. Die Stabilisierung des Euro sei das wichtigste Ziel der kommenden sechs Monate, sagte Thorning-Schmidt bei ihrer Amtsübernahme.

Um einen wichtigen Punkt des ursprünglichen Präsidentschaftsprogramms wird die dänische Regierung allerdings nicht herumkommen: Kopenhagen muss die Planungen für das Finanzbudget der EU von 2014 bis 2020 vorantreiben - im zweiten Halbjahr 2012 muss hier alles unter Dach und Fach gebracht werden. Dänemark komme hier "eine wichtige Schlüsselrolle" zu, ist Staatsminister Link überzeugt. "Als EU-Präsidentschaft ist Dänemark aktuell besonders gefordert, die laufenden Arbeiten innerhalb der Union als 'ehrlicher Makler' voranzubringen und gemeinsame Lösungen zu finden." In einer Zeit, in der die Bürger in vielen EU-Staaten schmerzhafte Einschnitte zu spüren bekämen, müsse aber auch von Brüssel ein Signal "für sparsames, nachhaltiges Wirtschaften ausgehen".

Sparsamkeit ist auch Grundlage der dänischen Ratspräsidentschaft. Mit 35 Millionen Euro an Ausgaben hat Kopenhagen gerade einmal ein Drittel von dem eingeplant, was Vorgänger Polen ausgegeben hat. Das liegt freilich auch an innenpolitischen Vorgaben. Aus Geldmangel musste Thorning-Schmidt diverse teure Wahlversprechen sehr zum Ärger der Bürger wieder einkassieren. Wenn jetzt aber europapolitische Treffen in Dänemark stattfinden, werden die ausländischen Gäste auch nicht mehr mit Chauffeur kutschiert. Sie müssen künftig mit dem Bus fahren.