Syriens Diktator Assad weist in einem Interview mit dem US-Sender ABC jede Schuld an dem brutalen Vorgehen gegen Regimegegner von sich.

Washington/Damaskus/Beirut. „Ich tat mein Bestes, um das Volk zu schützen." Mit diesen Worten will Syriens Machthaber Baschar al-Assad alle Schuld an der gewaltsamen Niederschlagung des oppositionellen Aufstands von sich weisen. Der Diktator hatte dem US-Sender ABC ein Interview gegeben, das am Mittwoch ausgestrahlt wurde. Syriens Staatschef bestreitet damit jede Verantwortung für die Tausenden Toten bei den Unruhen in seinem Land.

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Assad wies die Vorwürfe zurück, er habe das massive Vorgehen seiner Truppen gegen die Protestbewegung angeordnet. Assad habe keinen Befehl zum Töten gegeben. Es seien nicht seine Truppen. „Ich bin Präsident. Ich besitze das Land nicht“, fügte Assad hinzu. Zudem zog Assad die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen in Zweifel.

Die Uno geht von 4.000 Toten seit Beginn der Proteste vor neun Monaten aus . Regierungsgegner und Menschenrechtsorganisation werfen der syrischen Führung vor, die Proteste mit tödlicher Gewalt zu bekämpfen.Nach Angaben der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter wurden mehr als 3400 Zivilisten getötet und 1277 Angehörige der Sicherheitskräfte und Milizen.

„Wir töten nicht unsere Bevölkerung (...) Keine Regierung der Welt tötet die eigenen Leute, solange sie nicht von einem Verrückten geführt wird. Assad räumte ein, dass einige Mitglieder seiner Kampftruppen zu weit gegangen seien. Aber sie hätten aus eigenem Antrieb heraus gehandelt. „Jede brutale Reaktion war die eines Einzelnen, nicht einer Institution.“ Es sei ein Unterschied, ob man gezielt eine Politik der Niederschlagung verfolge oder ob „einige Offizielle ein paar Fehler“ machten.

Auf die Frage, ob es ihm leidtue, dass die Gewalt sein Land im Griff habe, sagte Assad, es sei ihm darum gegangen, das Volk zu schützen. „Ich kann mich nicht schuldig fühlen, wenn man sein Bestes gibt.“ Er bedauere, dass Menschen gestorben seien. „Aber man fühlt sich nicht schuldig, wenn man nicht tötet. Es geht also nicht um Schuld.“ Es sei zudem nicht richtig, dass die Getöteten überwiegend Assad-Gegner gewesen seien. „Die meisten Menschen, die getötet wurden, waren Anhänger der Regierung und nicht umgekehrt.“

Nach Angaben von ABC äußerte sich Assad erstmals seit Beginn der Unruhen in einem US-Sender. Assad machte klar, dass auch Wirtschaftssanktionen ihn nicht zur Umkehr zwingen könnten. „Wir sind seit 30, 35 Jahren unter Sanktionen. Das ist nichts Neues.“

In Wirklichkeit sei Syrien nicht isoliert, es gebe Handel und Verkehr. Dagegen hatten mehrere westliche Staaten sowie die Arabische Liga Sanktionen verhängt . Die Arabische Liga setzte zudem die Mitgliedschaft Syriens aus.

Assad bekräftigte auch, dass er Reformen und Wahlen einführe. Aber dies brauche Zeit. „Wir haben nie gesagt, dass wir eine Demokratie sind.“ Bei den Reformen seien Fortschritte gemacht worden, insbesondere in den vergangenen neun Monaten. „So etwas dauert lange. Es bedarf einiges an Reife, um eine vollwertige Demokratie zu sein.“

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark Toner, sagte, die Berichte über die Gewaltanwendung gegen das syrische Volk seien „glaubwürdig und schockierend“. Assad habe in dem Interview „total entfernt von der Realität und der brutalen Unterdrückung gegen das syrische Volk“ gewirkt. „Es ist entweder Abkoppelung (von der Wirklichkeit), Ignoranz oder, wie er gesagt hat, verrückt. Ich weiß es nicht.“ Assad drücke sich vor seiner Verantwortung. “Ich finde es grotesk, dass er versucht, sich hinter einem Verwirrspiel zu verstecken und angibt, nicht die Macht im Land in Händen zu halten„. Assad, der seit 2000 an der Macht ist, als er die Amtsgeschäfte von seinem Vater übernahm, hat wiederholt ausländische Kräfte für den Aufstand in seinem Land verantwortlich gemacht.

Die Gewalt im Land reißt nicht ab. Die syrische Revolutionsbewegung meldete, am Mittwoch seien weitere acht Menschen getötet worden. Darunter sollen vier Männer aus der Stadt Homs gewesen sein, die zu Tode gefoltert wurden, sowie ein Deserteur. In der Provinz Idlib sei es zu Gefechten zwischen Deserteuren und Regierungstruppen gekommen.

Zugleich teilten staatliche syrische Medien mit, Grenzschützer hätten an der Grenze zur Türkei eine Gruppe von 35 „Terroristen“ abgefangen. Die bewaffneten Extremisten hätten in der Nacht zum Dienstag versucht, auf syrisches Staatsgebiet vorzudringen, meldete die Nachrichtenagentur Sana am Mittwoch. Nach einem Schusswechsel mit den Grenzwächtern hätten sie sich jedoch zurückziehen müssen. Eine Bestätigung von unabhängiger Seite gab es für diesen Bericht nicht.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), sagte im Deutschlandradio Kultur: „Ich habe immer mehr Sorge, dass wir in einen Bürgerkrieg abgleiten in Syrien.“ Je eher Präsident Assad erkenne, dass er sich nicht an der Macht halten könne, desto besser sei es für Syrien.

Mit Material von dpa/dapd/rtr