Gewerkschaften wollen zwei Millionen Menschen mobilisieren. Hälfte der Schulen geschlossen - doch die Regierung will nicht nachgeben

London. Die Sparpläne der britischen Regierung führen in Großbritannien zu Protesten. Hunderttausende Mitarbeiter des britischen öffentlichen Dienstes haben am Mittwoch aus Protest gegen das Vorhaben, die Pensionen neu zu ordnen, ihre Arbeit niedergelegt. Angesichts leerer öffentlicher Kassen soll das Rentenalter früher als geplant auf 67 Jahre heraufgesetzt, die Rentenbeiträge erhöht werden. Der Ausstand wurde als der größte seit 30 Jahren angekündigt. Der eintätige Massenstreik traf vor allem die Briten selber in ihrem Alltag: Anders als erwartet gab es für Reisende an Flug- und Seehäfen zunächst keine Probleme. In den Austand traten neben anderen Lehrer, Krankenschwestern, Sanitäter und Mitarbeiter der Passkontrollen und der Müllabfuhr. Die meisten Schulen in England und Wales sollten geschlossen bleiben.

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Die Regierung ging davon aus, dass in den Kliniken Englands 60.000 nicht dringende Operationen, Untersuchungen und Folgetermine verschoben werden mussten. In Schottlands Krankenhäusern seien mindestens 3.000 Operationen und Tausende weitere Termine betroffen.

„Ich bin wütend, dass ich 50 Prozent mehr Pensionsbeiträge zahlen soll, und ich bin wütend, dass ich länger arbeiten soll und am Ende weniger bekomme“, sagte ein Polizist in Liverpool. „Hoffentlich ändert die Regierung ihre Haltung. Die Situation wurde durch die Regierung und die Banker herbeigeführt, und die Leute, die jetzt zahlen sollen, sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes“, fügte er hinzu.

Die Reform der Pensionen ist Teil eines Sparpakets, mit dem die Regierung die hohen Schulden des Landes in den Griff bekommen will. Deshalb sollen die Altersbezüge im öffentlichen Dienst künftig weniger großzügig ausfallen.

Der britische Schatzkanzler George Osborne forderte die Gewerkschaften auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die Streiks würden nichts bringen, weil einfach kein zusätzliches Geld zu verteilen sei. „Dieses Land muss einige harte Maßnahmen treffen, um mit seinen Schulden fertig zu werden“, sagte Osborne im Sender BBC. Daher seien die Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst unverzichtbar.

Die Gewerkschaften argumentieren, dass die Rentenpläne der Regierung für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes nicht zumutbar seien: So müssten viele länger arbeiten, mehr in die Pensionskasse einzahlen und würden am Ende trotzdem weniger herausbekommen.

Der öffentliche Dienst in Großbritannien werde „angegriffen“, sagte der Generalsekretär des Gewerkschaftsbundes TUC, Brendan Barber. Die Pläne der Regierungen seien zu extrem.

Besonders von dem Streik betroffen waren die Schulen. Nach Schätzungen des Bildungsministeriums fiel für Millionen Kinder der Unterricht aus, weil Lehrer und Küchenpersonal die Arbeit niederlegten. Fast drei von vier Schulen seien von den Streiks betroffen, hieß es.

Während in Großbritannien und Nordirland zahlreiche Züge ausfielen, gab es für Reisende anders als erwartet wenige Einschränkungen. An Großbritanniens größten Flughäfen, London Heathrow und Gatwick, hatte man sich auf die Streiks vorbereitet. Zusätzliches Personal sei angefordert worden, außerdem hatte man Fluggesellschaften geraten, die Maschinen nicht komplett zu besetzen. Daher laufe zunächst alles weitestgehend normal, hieß es vom Flughafenbetreiber BAA und der Fluggesellschaft British Airways. Insgesamt werde in Heathrow über den Tag mit 20 000 Passagieren weniger gerechnet. Auch die Schnellzugverbindung zum Kontinent Eurostar meldete keine Verspätungen.

Osborne hatte am Dienstag weitere harte Jahre mit geringem Wirtschaftswachstum für Großbritannien angekündigt. Im laufenden Haushaltsjahr 2011/2012 müssten zudem 127 Milliarden Pfund (149 Milliarden Euro) neue Schulden aufgenommen werden. Die Regierung hatte die Streiks verurteilt, weil der ohnehin problemgeplagten Wirtschaft dadurch noch mehr Verluste entstünden und Arbeitsplätze gefährdet würden.

Schatten-Schatzkanzler Ed Balls von der sozialdemokratischen Labour-Partei kritisierte die Regierungspläne zur Pensionskürzung. „Jeder muss Opfer bringen – auch der öffentliche Dienst“, sagte Balls. Die Pläne der Regierung aber seien nicht gerecht.

Mit Material von dpa/dapd/rtr