Silvio Berlusconi hat die Abstimmung zur Vertrauensfrage gewonnen. Die knappe Mehrheit weckt aber Zweifel an der Regierungsfähigkeit.

Rom. Die 51 Vertrauenfrage ist nochmal gut ausgegangen für den italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Er erhielt eine knappe Mehrheit, aber die Zweifel werden größer, ob er bis zum Ende der Amtszeit 2013 den notwendigen Rückhalt für die Umsetzung dringender Reformen hat. Im Parlament votierten 316 Abgeordneter für Berlusconi, 301 gegen ihn.

Die Abstimmung galt als größte Bedrohung für Berlusconi seit Beginn seiner politischen Karriere vor fast zwei Jahrzehnten. Im Falle einer Niederlage hätte er zurücktreten müssen. Auslöser der Krise war eine knapp verlorene Abstimmung über den Rechenschaftsbericht – eigentlich ein Routinevotum. Hinzu kam aber, dass das Unbehagen über den Führungsstil des Regierungschefs zuletzt sogar unter den Verbündeten gewachsen war. Berlusconi gab sich vor der Abstimmung zuversichtlich. „Was zählt, ist ein Sieg“, erklärte er mit Blick darauf, dass seine Mehrheit schwinden könnte.

Die Opposition fordert angesichts der zahlreichen Skandale und Gerichtsverfahren schon länger Berlusconi Rücktritt. Neu ist, dass sich diesen Rufen auch Teile der Wirtschaft anschlossen, die sonst immer hinter ihm standen. Auch Berlusconis Koalitionspartner, die Lega Nord, hatte ihn zuletzt nur noch zögerlich unterstützt. Öffentlich hieß es schon, es sei nicht sicher, ob Berlusconi seine Amtszeit bis 2013 zu Ende führen werde.

Die Vertrauensabstimmung kam zu einem für Italien schwierigen Zeitpunkt. Das Land steht wegen seiner hohen Schulden unter verschärfter Beobachtung durch die internationalen Finanzmärkte. Die Regierung muss einerseits das Defizit eindämmen, anderseits aber auch das Wirtschaftswachstum ankurbeln, um nicht tiefer in die Schuldenkrise hineingezogen zu werden. Das Defizit Italiens liegt bei fast 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das ist der höchste Wert in der Euro-Zone.

Am Mittwoch rief Mario Draghi, der amtierende Chef italienischen Notenbank und künftige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), die Regierung zu größeren Anstrengungen bei der Umsetzung der Reformen auf. Ansonsten würden die höheren Kosten für die Aufnahme von Krediten schon bald die Einsparungen durch das letzte Sparpaket aufzehren, mahnte Draghi.

Der Überlebensküntler Berlusconi - ein Portrait

Es wird langsam zur Gewohnheit: Trotz Sexaffären, Schuldenkrise und Korruptionsvorwürfen hat „Il Cavaliere“ Silvio Berlusconi bereits zum zweiten Mal seit September eine Vertrauensfrage überstanden. Doch die gewonnene Abstimmung dürfte dem vor allem für seine Kompetenz im „Bunga Bunga“ bekannten italienischen Regierungschef nur eine kurze Atempause verschaffen: Vor allem wegen der schlechten Wirtschaftslage und der hohen Verschuldung seines Landes steht der 75-Jährige weiter unter massivem Druck. Experten erwarten daher bald eine weitere Regierungskrise – und in absehbarer Zeit Neuwahlen.

Dabei droht dem angeschlagenen konservativen Politiker, dessen Vermögen das Magazin „Forbes“ einmal mit neun Milliarden Dollar bezifferte, auch privat Ungemach: In vier Betrugs- und Sexprozessen steht er vor Gericht. Und eine weitere Sex-Affäre ist im Kommen – Zeitungen warteten mit Enthüllungen über neue „Bunga Bunga“-Orgien auf. In heimlich mitgeschnittenen Gesprächen rühmt sich der rüstige Senior, in einer Nacht Sex mit acht Frauen gehabt zu haben. Wegen seiner sexuellen Eskapaden, so räumte der Medienmogul ein, komme er kaum zum regieren.

Dabei war ihm sein schillernder Lebenswandel nicht in die Wiege gelegt: Erzogen wurde Berlusconi in einer Schule des Salesianer-Ordens, später absolvierte er an der Mailänder Uni sein Jura-Examen mit Bestnote. In Finanzfragen erwies sich Berlusconi schon früh als einfallsreich: Sein Studium finanzierte er sich als Conferencier und Pianist bei Schiffskreuzfahrten und Auftritten als Sänger. Damals hatte er noch keine Schönheitsoperationen nötig, mit denen er Jahrzehnte später für Aufsehen sorgte.

Im Ausland gilt „Il Cavaliere“ wegen seiner extravaganten Art und seines Hangs zu schlüpfrigen Scherzen oft als Witzfigur. Und sein Ego scheint unbegrenzt: Als Chef einer Mitte-Rechts-Regierung verglich er sich einmal mit keinen Geringeren als Jesus und Napoleon und fügte – obwohl keineswegs ein Riese – hinzu, er sei definitiv höher gewachsen als der Franzosen-Kaiser.

Mit der Andeutung, er habe die finnische Präsidentin Tarja Halonen verführt, um deren Unterstützung zu bekommen, provozierte Berlusconi eine kleine diplomatische Krise. „Ich habe alle meine Playboy-Tricks angewendet, obwohl ich sie seit geraumer Zeit nicht mehr genutzt habe.“ Für einen Eklat sorgte er auch, als er den SPD-Politiker Martin Schulz im Europarlament mit einem Nazi-Schergen verglich.

Von solchen Scherzen abgesehen, liegt der Schlüssel zu Berlusconis Erfolg wohl in seinem Ruf als einer, der es aus eigener Kraft bis ganz nach oben geschafft hat. Das gilt viel in einem Land, in dem der Aufstieg meist von einflussreichen Freunden in Spitzenämtern abhängt. Berlusconi fing im Immobiliengeschäft an und gründete später den Medienkonzern Mediaset, der das Fernsehgeschäft in Italien dominiert.

In den frühen 90er Jahren gründete Berlusconi die Partei Forza Italia, die rasch das Vakuum füllte, das der Zusammenbruch der bis dahin vorherrschenden Christdemokraten hinterlassen hatte. Kritiker werfen ihm vor, er habe seine erste Amtszeit von 1994 bis 1996 hauptsächlich genutzt, um Gerichtsverfahren abzuwehren und seine privaten Geschäfte voranzutreiben.

2001 gelang Berlusconi die Rückkehr an die Macht. Seine Koalition mit Neo-Faschisten, Christdemokraten und den Separatisten von der Lega Nord hielt die gesamte Legislaturperiode. Das war Rekord in einem für seine kurzlebigen Regierungen berüchtigten Land. Die knappe Wahlniederlage gegen Romano Prodi 2006 hat das Stehaufmännchen der italienischen Politik nie anerkannt. Seit 2008 ist Berlusconi nun wieder an der Macht. Seither trieb er den Wiedereinstieg Italiens in die Atomkraft voran und musste sich weiter in Betrugs-, Steuer- und Bestechungsaffäre verteidigen. Im Februar gingen Hunderttausende Frauen im ganzen Land auf die Straße und forderten den Rücktritt Berlusconis. Im Mai erlitt Berlusconis Popolo della Liberta schwere Niederlagen bei etlichen Bürgermeisterwahlen. Im Juni sprachen sich in einer Volksabstimmung über 94 Prozent gegen den Bau von Atomkraftwerken aus.

Im Juli brachen wegen zunehmender Angst an den Finanzmärkten die Kurse italienischer Staatsanleihen ein. Die Regierung in Rom musste daraufhin unter dem Druck der Finanzmärkte mehrfach Sparpakete nachbessern. Die Sparmaßnahmen sind in der Bevölkerung zutiefst unpopulär und rauben Berlusconi Sympathien.

(abendblatt.de/dapd/reuters)