Brüssel/Athen/Berlin. Was nun, Alexis Tsipras? Athen will nicht an Renten und Löhne ran, die Krise verschärft sich. Die Börsen setzen aber auf Bullen-Märkte.

Jetzt haben es die Verantwortlichen in Brüssel, Paris, Berlin und anderswo erstmals zugegeben: Die Euro-Gruppe diskutiert ernsthaft ein Szenario zum Grexit, dem Austritt der Griechen aus dem Euro. Und das schickte den deutschen Aktienindex Dax gleich auf Talfahrt, die Kurse rauschten an der Frankfurter Börse in den Keller, auch die Wall Street, die New Yorker Börse, reagiert mit Kursverlusten. Zu einem Notfallszenario für das pleitebedrohte könnten Kontrollen des Kapitalverkehrs gehören, hieß es nach einem Treffen der Finanzstaatssekretäre der Euroländer Bratislava.

Solche Kontrollen könnten aber nur von Athen selbst angeordnet werden, hieße es. Ziel solcher Notmaßnahmen ist es, den Abfluss von Geldern aus einem Land zu bremsen. Die Euro-Finanzminister hatten bisher in der Eurogruppe nicht über Alternativszenarien zu einer Rettung Griechenlands diskutiert.

Kein Geld? Noch kein Grund für einen Grexit

Nun ist eine drohende Zahlungsunfähigkeit noch kein Ausstieg aus dem Euro. Aber die Nachrichten erschütterteten die Börsen nachhaltig. Zur Auszahlung der 7,2 Milliarden Euro aus dem verlängerten Rettungsprogramm bis Ende des Monats läuft die Zeit ab.

Der Dax vertrieben fiel wieder Richtung 11.000 Punkte. Kurz vor Handelsschluss erholte er sich wieder etwas und beendete den Tag mit einem Minus von 1,20 Prozent bei 11.196,49 Punkten. Im Wochenverlauf zeigte er sich damit nahezu unverändert. Ein Börsianer sagte, der Grexit werde immer offener diskutiert. „Das ist ein deutliches Warnsignal“, sagte er. Die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) verhandeln seit Wochen mit Athen über ein verbindliches Reformprogramm.

Athens Geldgeber verlieren die Geduld

Die Gespräche um Griechenlands Reformprogramm gehen in der neuen Woche mit einer Tagung der Euro-Gruppe in die nächste Runde. Die Griechen wollen augenscheinlich Themen wie die Renten oder Löhne nicht anpacken. Den Geldgebern scheint die Geduld auszugehen.

„Es ist beeindruckend, mit welcher Hartnäckigkeit Griechenland Reformen verweigert“, schrieb Marktexpertin Claudia Windt von der Landesbank Helaba. Darunter leide das Wirtschaftswachstum. In letzter Konsequenz müssten sich die Gläubiger darauf einstellen, Griechenland langfristig zu alimentieren. Dass der IWF die Gespräche abgebrochen habe, sei die Quittung für eine solche Kalkulation.

Kurios: Die Börsen setzen wieder auf steigende Kurse

Sollte es am Donnerstag jedoch tatsächlich zu einer Einigung der Geldgeber mit Athen kommen, könnte dies den Dax durchaus kräftig anschieben. Dessen Bewertung jedenfalls ist nach Ansicht der Experten der Landesbank LBBW noch nicht ausgereizt. Sie erwarten daher über kurz oder lang eine neue Rallye.

Dagegen machen in Athen die Junior-Koalitionspartner in der Regierung von Alexis Tsipras Druck: Entweder gebe es bis zum 18. Juni eine Einigung oder Athen werde seine Schulden an die Geldgeber „nie“ zurückzahlen, so der Parteichef der rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen, Verteidigungsminister Panos Kammenos, im Sender Mega.

Die Deutschen sind über einen Euro-Austritt Athens zwiegespalten

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht in den Griechenland-Verhandlungen weiter von einer Lösung aus. „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“, bekräftigte sie am Freitag in Berlin. „Aber der Wille muss von allen Seiten kommen.“

Die Deutschen sind mit knapper Mehrheit für einen Verbleib Griechenlands im Euro. Bei einer Umfrage des Instituts TNS-Emnid für das Nachrichtenmagazin „Focus“ sprachen sich 46 Prozent dafür aus, dass die Griechen den Euro behalten. 42 Prozent sind dafür, dass das Land zu seiner alten Währung, der Drachme, zurückkehrt. (HA/dpa)