Nach siebeneinhalb Jahren haben die letzen US-Kampftruppen das Land verlassen. Doch der Abschluss der Operation ist das nicht.

Washington. Der Abzug aus dem Irak läuft für US-Präsident Barack Obama nach Plan: Zwei Wochen früher als angekündigt haben fast alle US-Kampftruppen das Land verlassen. Die letzte große reguläre Kampfbrigade habe am Donnerstag nahezu komplett die Grenze nach Kuwait überschritten, berichteten US-Medien. In den kommenden Tagen sollen sich auch tausende Mitglieder von Spezialeinheiten zurückziehen. Dies markiere nach siebeneinhalb Jahren das Ende der „Operation Iraqi Freedom“ („Operation Irakische Freiheit“), zitierte der Sender MSNBC den Sprecher des US-Außenministeriums Philip Crowley. Es handele sich um einen historischen Moment. Allerdings bedeute der Abzug nicht das Ende des amerikanischen Engagements. „Wir beenden den Krieg (...), aber wir beenden nicht unsere Arbeit im Irak.“

Als offizieller Abzugstermin war bislang der 31. August genannt worden. Nach dem Abzug der Kampftruppen sollen weiterhin 50.000 Soldaten in dem Land stationiert bleiben. Am 1. September beginnt die Operation „New Dawn“ (Neubeginn oder Morgendämmerung). Sie hat zum Ziel, die irakischen Sicherheitskräfte weiter militärisch auszubilden und ihnen bei der Terrorbekämpfung zu helfen.

US-Präsident Obama hatte am Mittwoch vor Bekanntwerden des Abzugs bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Ohio gesagt: „Wir halten das Versprechen, das wir gemacht haben. Unsere Kampfmission drüben im Irak wird vorbei sein.“ Der Sender MSNBC berichtete über eine gewisse Verwirrung in der Informationspolitik der US-Regierung. So sei auf der Website des Weißen Hauses zunächst das „Ende des Kampfeinsatzes im Irak“ verkündet worden. Später jedoch ruderte nach Medienberichten ein hoher Regierungsbeamter mit Verweis auf das offizielle Ende der Operation am 31. August zurück.

Der Rückzug der Truppeneinheit hatte nach Angaben der „Washington Post“ bereits am Samstag begonnen. Die Soldaten der 4. Stryker- Brigade und schweres Gerät hätten den knapp 600 Kilometer langen Weg über Land zurückgelegt, die letzten 440 Angehörigen der bis zu 4000 Mann starken Einheit am Donnerstag Kuwait erreicht.

Unklarheit herrschte über die Zahlen der aktuell im Irak verbliebenen US-Soldaten. Nach Informationen des Fernsehsenders CNN sind noch 56000 im Land, 6000 seien Teil von Spezialeinheiten oder mit Verwaltungsaufgaben beschäftige Militärangehörige. Der Nachrichtensender Fox News berichtete, es gebe noch Kampftruppen mit einer Stärke von 2600 Mann im Irak, die „Washington Post“ sprach von 4500 Soldaten. Die Truppenstärke werde allerdings am 1. September sicher auf 50000 reduziert sein.

Der irakische Staatsminister für nationale Sicherheit, Schirwan al-Waili, sagte der dpa auf Anfrage: „Die Amerikaner machen jetzt Ernst mit dem Abzug ihrer Kampftruppen.“ Der Abmarsch auf dem Weg über Kuwait sei am Donnerstag abgeschlossen worden. Nur ein kleiner Teil der 50000 Soldaten, die auch nach dem 1. September im Irak verbleiben sollen, seien für den Kampfeinsatz ausgerüstet. Die meisten der bis Ende 2011 im Lande verbleibenden US-Soldaten seien Ausbilder und Techniker. Die US-Armee werde längerfristig Panzer, Artillerie, Waffen und Munition im Wert von etwa einer Milliarde Dollar im Irak belassen, fügte er hinzu.

Die restlichen regulären US-Truppen sollen nach dem Willen Obamas den Irak bis Ende 2011 verlassen. Der Präsident hatte den kompletten Rückzug damit begründet, sich verstärkt auf den Anti-Terror-Kampf in Afghanistan konzentrieren zu wollen. Nach Informationen der „New York Times“ wollen die USA die Zahl der privaten Sicherheitskräfte von 2700 auf 7000 aufstocken, um ihre Diplomaten und Mitarbeiter nach Abzug der letzten Soldaten zu schützen. Das Ende der Kampfoperation gilt als großer Einschnitt für die irakische Regierung, da sie größere Verantwortung für die Sicherheit in dem Land übernehmen muss. Allerdings gibt es auch fünf Monate nach den Parlamentswahlen noch immer keine neue Regierung. Eine jüngste Runde von Verhandlungen zwischen den beiden stimmstärksten Blöcken, der Rechtsstaat-Allianz des amtierenden Ministerpräsidenten Nuri al- Maliki und der Al-Irakija-Liste des Wahlsiegers Ijad Allawi, war zu Wochenbeginn erneut abgebrochen worden.

Nach Einschätzung des Direktors der Stiftung Politik und Wissenschaft, Volker Perthes, wird der US-Truppenabzug nicht unmittelbar zu einer ruhigeren Lage führen. In den nächsten Monaten werde es im Irak sicherlich „ruppig und rau“, sagte Perthes im Radio MDR Info. „Ich glaube, es wird jetzt viele Kräfte – politische Kräfte, auch terroristische Kräfte – geben, die versuchen, ihre Stärke zu zeigen.“ Dennoch habe der Irak „eine Chance auf Zukunft“. Wichtig seien politischer Konsens und stabile Verhältnisse.

Das politische Vakuum und der Abzug der US-Kampftruppen hatte in den vergangenen Monaten die Aufständischen zu verstärkten Angriffen auf die irakischen Sicherheitskräfte ermuntert. Erst am Dienstag ereignete sich der schwerste Einzelanschlag im Irak seit Jahresbeginn. Bei einem Attentat auf Armee-Bewerber in Bagdad kamen 58 Menschen ums Leben. Im Mai waren bei einer Serie von Attentaten fast 100 Menschen getötet worden. Seit der Invasion des Landes im März 2003 starben mehr als 4400 US-Soldaten in dem Krieg.