Ein Scheitern der Präsidentenwahl könnte das Ende der Regierung bedeuten – und des Reformkurses

Athen. Die griechische Regierung hegte Hoffnungen, im neuen Jahr mit einer letzten Hilfe der EU-Partner wirtschaftlich wieder auf eigenen Beinen stehen zu können. Der Traum gerät ins Wanken. Die Wahl eines neuen Staatspräsidenten, der nur eine repräsentative Funktion hat, droht das Land erneut in eine lange Phase der Unsicherheit zu stürzen. „Alles hängt am seidenen Faden“, warnt Vize-Regierungschef Evangelos Venizelos (Sozialisten). Und Notenbankchef Ioannis Stournaras schlug am Montagabend Alarm: Die Gefahr einer neuen Krise sei groß, es drohten „irreparable Schäden“.

Der heutige Mittwoch ist der erste von mehreren entscheidenden Tagen bis zum Jahresende. Das Parlament tritt zum ersten Wahlgang zusammen. Das künftige Staatsoberhaupt benötigt 200 der 300 Abgeordnetenstimmen. Die Regierungskoalition aus Konservativen und Sozialisten aber hat nur 155 Mandatsträger – viel zu wenig, um den eigenen Kandidaten, Ex-EU-Kommissar und Außenminister Stavros Dimas, 73, durchzubringen und so vorgezogene Wahlen abzuwenden. Gelingt die Wahl, könnte Regierungschef Antonis Samaras bis Juni 2016 regieren.

Auch im zweiten, auf den 23. Dezember terminierten Wahlgang, werden 200 Stimmen benötigt, in einem dritten Anlauf am 29. Dezember nur noch 180. Doch damit fehlen der Koalition immer noch 25 Stimmen. Sozialisten und Konservative versuchen zurzeit mit Hochdruck, unabhängige Abgeordnete und Parlamentarier kleinerer Parteien zur Dimas-Wahl zu bewegen. „Damit das Land weiter stabil bleibt“, sagt Samaras immer wieder. Die Wahl eines Präsidenten in einer Phase, in der das das Land kurz davor stehe, aus der Finanzkrise heraus zu kommen, sei „nationale Pflicht“.

Die linksgerichtete Oppositionspartei Syriza und ihr Chef Alexis Tsipras aber wollen die Präsidentenwahl als Hebel nutzen, um vorgezogene Parlamentswahlen zu erzwingen. Die Linken haben keinen eigenen Kandidaten benannt und wollen nicht für Dimas stimmen. Syriza würde die nächste Parlamentswahl zwar gewinnen, heißt es in allen aktuellen Umfragen, eine absolute Mehrheit im Parlament aber verfehlen. Eine lange Regierungsbildung mit ungewissem Ausgang könnte Griechenland in eine lange, lähmende Phase stürzen.

Tsipras fordert einen Schuldenschnitt und will den Reformkurs wieder umdrehen: Löhne anheben, entlassene Staatsbedienstete wieder einstellen, Privatisierungen zurücknehmen. Das klingt gut in den Ohren vieler Griechen, jeder Vierte im Land arbeitslos. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker aber ist alarmiert. Kaum verklausuliert warnte er jüngst, die Griechen wüssten sehr genau, „was ein falsches Wahlergebnis für Griechenland und die Euro-Zone bedeuten würde“.

EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici wurde noch deutlicher: Die EU werde Griechenland nur dann weiter „unter die Arme greifen, solange das Land seine Wirtschaft modernisiert“, sagte er.