Nach nur zwei Jahren im Amt muss Pentagonchef Chuck Hagel gehen. Auslöser war der Streit über die richtige Strategie gegen die Terrormiliz IS

Washington. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel hat offenbar auf Druck von Präsident Barack Obama nach nur zweijähriger Amtszeit seinen Rücktritt eingereicht. Obama dankte Hagel am Montag zwar für seine Dienste und bezeichnete ihn als „beispielhaften Verteidigungsminister“. Nach Informationen der „New York Times“ soll der Präsident den Pentagonchef aber nach Meinungsverschiedenheiten über das Vorgehen gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu einem Amtsverzicht gedrängt haben. Dabei sei es unter anderem um die Frage eines Kampfeinsatzes von US-Bodentruppen in Syrien und im Irak gegangen.

Hagel trat an der Seite von Obama und Vizepräsident Joe Biden im Weißen Haus vor die Kameras. Die Zeit an der Spitze des Verteidigungsministeriums sei „das größte Privileg meines Lebens“ gewesen, sagte der scheidende Minister. Er sei „ungeheuer stolz“ auf das, was in seiner Amtszeit erreicht worden sei. Bis zur Bestätigung eines Nachfolgers durch den Senat soll der 68-jährige Republikaner das Amt weiter ausüben.

Bereits seit Wochen hatte es Spekulationen über einen möglichen Rücktritt Hagels gegeben. Zu Beginn des Monats hatte der Pentagonchef überraschend eine lange geplante Reise nach Vietnam und Myanmar abgesagt. Zuletzt hatten mehrere Vertreter von Obamas Regierung anonym in US-Medien ihrer Unzufriedenheit über Hagels Amtsführung Luft gemacht. Dabei wurden Gerüchte gestreut, dass der Präsident nach den Kongresswahlen eine Kabinettsumbildung mit Schwerpunkt auf der nationalen Sicherheit plane. Bei den Wahlen vor drei Wochen hatten Obamas Demokraten ihre Mehrheit auch im Senat verloren.

Hagel war im Februar 2013 zu Beginn von Obamas zweiter Amtszeit an die Spitze des Pentagons gerückt. Der frühere Senator und Vietnamkriegsveteran, der eher als Taube denn als Falke gilt, war damals der Wunschkandidat des Präsidenten. Der Senat hatte die Nominierung aber erst nach wochenlangem Streit bestätigt. Ausgerechnet in seiner eigenen Partei war der Republikaner Hagel nicht wohlgelitten: Im konservativen Lager wurde ihm seine Ablehnung des Irak-Kriegs unter Ex-Präsident George W. Bush nachgetragen, außerdem galt er als zu nachgiebig gegenüber dem Iran.

Barack Obama wollte angeblich einen Minister „mit anderen Fähigkeiten"

In den vergangenen beiden Jahren habe Hagel das US-Militär „mit ruhiger Hand“ durch eine „bedeutende Zeit des Übergangs“ geführt, sagte Obama. Der Präsident lobte den scheidenden Minister für den Truppenabzug in Afghanistan, die strategische Neuausrichtung der Streitkräfte sowie die Leistung, das Militär trotz angespannter Budgetlage „stark und einsatzbereit“ zu halten. Der US-Präsident soll der „New York Times“ zufolge die Entscheidung, Hagel den Rücktritt nahezulegen, am vergangenen Freitag getroffen haben. Angesichts der Bedrohung durch die IS-Terrormiliz werde ein Verteidigungsminister „mit anderen Fähigkeiten“ benötigt, hieß es. Nach Informationen von CNN wollte Obama die Aufgabe mit einer neuen Führung im Verteidigungsministerium angehen.

Zuvor waren bereits deutliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Obama und Hagel über die Syrienpolitik und dabei insbesondere über das weitere Vorgehen gegen den Präsidenten Baschar al-Assad öffentlich geworden. Hagel hatte in einem internen Vermerk, der in der Öffentlichkeit bekannt wurde, vor einem Scheitern von Obamas Syrien-Politik gewarnt, weil dieser seine Absichten gegenüber Assad im Unklaren lasse.

Obama sagte bei dem Auftritt mit Hagel dagegen, dass der Minister im Oktober selbst das Gespräch über seine künftige Rolle in der Regierung gesucht habe. Hagel sei dann zu dem Entschluss gekommen, dass es ein „angemessener Zeitpunkt“ sei, um seinen „Dienst abzuschließen“. Der republikanische Senator John McCain sagte, Hagel sei „sehr, sehr frustriert“ gewesen. Der Verteidigungsminister habe nie in den engen Führungszirkel um Barack Obama vordringen können, der „alle Entscheidungen“ treffe.

Das Weiße Haus nannte zunächst keine Kandidaten für die Nachfolge. Nach Informationen der „New York Times“ gibt es aber drei Favoriten. Bereit stehen demnach die früheren Pentagon-Spitzenbeamten Michèle Flournoy und Ashton Carter sowie der demokratische Senator Jack Reed.

Die Bestimmung eines neuen Verteidigungsministers könnte zu einer Machtprobe zwischen Obama und den Republikanern werden, die wegen des Alleingangs des Präsidenten in der Einwanderungspolitik mit einer Blockade von Personalentscheidungen im Senat gedroht haben. Obama muss bereits seine Kandidatin für die Nachfolge von Justizminister Eric Holder, Loretta Lynch, durch den Senat bekommen.