Nach blutigem Anschlag auf Synagoge in Israels Hauptstadt lässt die Regierung die Häuser von palästinensischen Attentätern niederreißen

Jerusalem. Nach dem Synagogen-Anschlag in der israelischen Hauptstadt Jerusalem wächst die Sorge vor einer Zuspitzung des Nahost-Konflikts. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht sein Land in einem „Kampf um Jerusalem“. Nach dem verheerenden Angriff auf eine Synagoge in Jerusalem begannen israelische Sicherheitskräfte, Häuser palästinensischer Attentäter niederzureißen. Am frühen Mittwochmorgen zerstörten sie in Ostjerusalem das Haus eines Palästinensers, der im Oktober bei einem Angriff auf eine Straßenbahnhaltestelle in Jerusalem zwei Pendler getötet hatte.

Bei Anschlägen in den vergangenen Wochen waren elf Israelis getötet worden – neun in Jerusalem und je einer in Tel Aviv und im Westjordanland. Am Dienstag töteten zwei palästinensische Cousins in der Synagoge im ultraorthodoxen Viertel Har Nof im Westen Jerusalems fünf Menschen. Sie töteten vier Gelehrte mit doppelter Staatsbürgerschaft, die gebürtig aus den USA und Großbritannien stammten. Danach wurden sie von Polizisten erschossen. Ein Polizist erlag Stunden nach der Attacke seinen Verletzungen. Weitere fünf Menschen wurden verletzt.

Die Häuserzerstörungen sind auch in Israel selbst hoch umstritten

Die Politik der Häuserzerstörungen ist sehr umstritten, auch in Israel selbst. 2005 war diese Vorgehensweise zunächst abgeschafft worden, weil sie nach einer Bilanz der israelischen Armee nicht effektiv war. Nach Anschlägen arabischer Einwohner Ostjerusalems 2008 wurde sie jedoch vom damaligen Ministerpräsidenten Ehud Olmert wieder eingeführt. Potenzielle Attentäter sollen damit abgeschreckt werden, weil sie wissen, welch hohen Preis ihre Familie zahlen muss.

Von Menschenrechtsorganisationen wird diese Kollektivstrafe als Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht eingestuft. Israels höchstes Gericht hat Häuserzerstörungen jedoch immer wieder erlaubt und Klagen dagegen zurückgewiesen. In Ostjerusalem und im Westjordanland wurden auch häufig Häuser zerstört, die von Palästinensern ohne israelische Genehmigung errichtet worden waren.

Nach Angaben des Israelischen Komitees gegen Häuserzerstörungen (ICAHD) sind seit Beginn der israelischen Besatzung rund 25.000 Häuser in Ostjerusalem und den Palästinensergebieten zerstört worden. In einem halben Jahrhundert sind dabei nach Schätzungen der Organisation, deren israelische Mitarbeiter häufig beim Aufbau zerstörter Häuser mithalfen, mindestens 160.000 Menschen obdachlos geworden. Menschenrechtler warnen, Häuserzerstörungen könnten zu einer weiteren Radikalisierung in der Region beitragen. Insbesondere für Kinder sei es sehr traumatisch, die Zerstörung des Elternhauses mitzuerleben.

Netanjahu schrieb nach dem Anschlag auf die Synagoge im Nachrichtendienst Twitter: „Wir befinden uns in einem Kampf um Jerusalem, unsere ewige Hauptstadt. In diesem Kampf müssen wir zusammenhalten; dies ist das Gebot des Tages.“ Die beiden Attentäter hatte er zuvor als „Tiere in Menschengestalt“ bezeichnet und schärfere Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt angekündigt.

Medienberichten zufolge sollen insbesondere Schulen in Jerusalem besser geschützt werden. Das israelische Radio berichtete, an den Ausfahrten von arabischen Stadtteilen in Ostjerusalem seien Straßensperren aufgestellt worden. Polizeiminister Izchak Aharonovich will es Israelis erlauben, zur Selbstverteidigung Waffen zu tragen.

Einen Tag nach dem Anschlag fanden sich Dutzende Juden wieder in dem Gotteshaus zum Beten ein. Unter den Gläubigen sei am Mittwoch auch Wirtschaftsminister Naftali Bennett gewesen, berichtete die Nachrichtenseite „Ynet“. Der Eingang sei von Sicherheitspersonal bewacht worden.

Während Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Anschlag verurteilte, sprach die radikalislamische Hamas von einer „heroischen Tat“. US-Außenminister John Kerry verurteilte den Terrorakt und sprach von sinnloser Brutalität. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warnte vor einer neuen Spirale der Gewalt. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon appellierte an beide Lager, die angespannte Lage in Jerusalem zu beruhigen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini rief beide Seiten zur Zurückhaltung und zu einer Rückkehr zu Friedensgesprächen auf.

In der Nacht auf Mittwoch kam es zunächst zu keinen größeren Zwischenfällen in Jerusalem. Im Westjordanland gerieten laut Medienberichten aber rund 200 Palästinenser mit 50 jüdischen Siedlern aneinander. Sie mussten von Soldaten getrennt werden.