Der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis ist völlig überraschend zum rumänischen Staatschef gewählt worden. In Hermannstadt trauert man schon jetzt dem scheidenden Bürgermeister nach.

Sibiu. Der Wahlsieg des bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten Klaus Johannis in Rumänien ist eine Sensation. Nach dem klaren Vorsprung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Victor Ponta im ersten Wahlgang konnte Johannis, ein Angehöriger der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen, den Spieß in der Stichwahl am Sonntag überraschend umdrehen. Am Ende drang der Populist Ponta mit seiner Strategie antideutscher Nationalismen und persönlicher Diffamierung des politischen Gegners nicht durch. Die Rumänien stimmten für den „deutschen“ Bürgermeister von Sibiu, zu Deutsch Hermannstadt.

Der 42-jährige Aufsteiger Ponta stolperte letztlich über eine lange Reihe von Korruptionsskandalen in seiner Sozialdemokratischen Partei. Der scheidende Staatspräsident Trajan Basescu (63), der selbst einen lauten Politikstil pflegt und das Land damit wiederholt spaltete, und Ponta warfen sich zudem gegenseitig öffentlich eine Verwicklung in die Machenschaften des einstigen kommunistischen Geheimdienstes Securitate vor.

Den konservativen Herausforderer Johannis wiederum bezichtigten Ponta und seine Parteigenossen einer Vorteilsnahme im Amt des Bürgermeisters – einen Vorwurf, den die Gerichte entkräfteten. Sie spotteten über Johannis' Kinderlosigkeit und fragten: „Rumänen, wollt ihr von einem Deutschen regiert werden?“ Johannis ließ sich nicht auf eine politische Schlammschlacht ein, konterte, er wolle lieber verlieren, als auf das Niveau des Kontrahenten einzusteigen.

Saubermann-Image als größtes Kapital

Das Renommee des „Saubermanns“ ist Johannis' größtes politisches Kapital. Nach der politischen Wende 1989 verließen seine Leute, die jahrhundertalte deutsche Minderheit der Siebenbürger Sachsen, zu Tausenden das Land. Frustriert über den Niedergang seiner Heimatstadt Hermannstadt wechselte der frühere Physiklehrer am traditionsreichen deutschen Brukenthal-Gymnasium und Schulinspektor in die Lokalpolitik – und startete auf Anhieb durch. Obwohl die Deutschen inzwischen nur noch ein Prozent der 170.000 Einwohner Sibius stellten, wurde Johannis 2000 Bürgermeister – und er und seine Deutschen erarbeiteten sich eine Zweidrittelmehrheit im Stadtrat.

In diesen 14 Jahren hat sich Sibiu zur Vorzeigestadt des Landes gemausert. Johannis schaffte Vertrauen, zog große Investitionen ausländischer, vor allem deutscher Firmen an. Die grassierende Korruption verschwand, das Stadtbild wandelte sich von staubigem Verfall zu einem Schmuckkästchen. Als Sibiu 2007 Kulturhauptstadt Europas war, herrschte Vollbeschäftigung. Und auch in der folgenden Rezession der globalen Wirtschaftskrise setzte Johannis voll auf Kulturförderung. Kultur wandele das Bewusstsein, so sein Credo. Als Protestant besucht der Bürgermeister jede Woche mit seiner Ehefrau, einer Katholikin, die katholische Sonntagsmesse.

Freude und Trauer in Hermannstadt

Nun also folgt der Wechsel von der siebenbürgischen Provinz in die Hauptstadt. Der Kampf gegen Korruption ist Johannis' Ansage. Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen. Doch ob der kreuzseriöse, aber auch spröde wirkende und wenig charismatische Sachse im gut geschmierten Politikbetrieb Bukarests durchdringen wird, muss sich erst erweisen. Die Regierung Ponta bleibt im Amt, und die Profiteure der bisherigen Ordnung dürften dem „Externen“ Johannis ordentlich zusetzen. Seine politischen Befugnisse als Präsident sind zudem begrenzt – auch wenn Basescu seine Macht zugunsten des Parlaments auszubauen suchte.

In Hermannstadt sieht man den Wahlsieg eher mit weinendem denn mit lachendem Auge, war Johannis doch Garant des Fortschritts nach Jahrzehnten des Niedergangs, ein Vorbild beim Anpacken. „Natürlich haben wir ihn alle gewählt. Aber wir wären doch auch alle froh gewesen, wenn wir ihn hätten behalten können“, sagt die frühere Stadträtin Marga Grau. Die Siebenbürger Sachsen haben damit ihre Pflicht getan, wie sie es gewohnt sind. Sie werden jedes Jahr weniger. Aber vielleicht ist es auch, genau ein Vierteljahrhundert nach dem großen Exodus, eine Genugtuung, dass nun einer der Ihren das höchste Amt im Staat bekleidet.