Deutscher Nato-General Domröse stellt Großmanöver in Osteuropa in Aussicht. Teilnehmen sollen aber nur diejenigen der 28 Nato-Staaten, die über die notwendige Hightech-Ausrüstung verfügen.

Brüssel. Pulverfass Osteuropa: Die blutigen Kämpfe in der Konfliktregion Ostukraine gehen mit unverminderter Härte weiter; russische Truppen rücken wieder näher an die Grenze zur Ukraine; „Militärberater“ aus Moskau unterstützen mit Waffen und Ausbildung die prorussischen Rebellen in der Ukraine; viele mittel- und osteuropäische Staaten fühlen sich weiterhin von Moskau bedroht. Die Militärstrategen der Nato arbeiten deshalb unter Hochdruck daran, die Verteidigungsbereitschaft gegenüber Russland zu verbessern und die Abschreckung in Osteuropa zu erhöhen. Bereits Anfang 2015 wollen die 28 Mitgliedsländer über neue militärische Maßnahmen entscheiden. Die Zeit drängt. „Die Annexion der Krim und der Bruch sämtlicher internationaler Regeln kamen für uns überraschend. Wir hatten das nicht erwartet“, sagte der verantwortliche Nato-Oberbefehlshaber für Nord- und Osteuropa, der deutsche Vier-Sterne-General Hans-Lothar Domröse. „Wir haben gesehen, dass Präsident Putin die russischen Streitkräfte schlagkräftiger gemacht hat und dass die russischen Truppen verdammt schnell sind.“

Die Nato hat jetzt erstmals Großmanöver in den Grenzregionen zu Russland in Aussicht gestellt. „Wir haben bisher Großmanöver von 25.000 bis 40.000 Mann nur in den westlichen Nato-Ländern durchgeführt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das in Zukunft auch in Osteuropa und im Baltikum machen“, so Domröse. Auch die „Speerspitze“, mit der das westliche Verteidigungsbündnis schnell auf eine Bedrohung ihrer östlichen Mitglieder reagieren will, nimmt Gestalt an. „Wir werden eine schnelle Eingreiftruppe der Nato aufbauen, die aus etwa 5000 bis 7000 Mann besteht, und die innerhalb von zwei bis fünf Tagen im Einsatzgebiet sein kann“, sagte der Militärplaner. Einige Teile dieser Nato-Eingreiftruppe könnten schon nach zwei Tagen im Einsatz sein, andere erst nach drei oder fünf Tagen. „Es wird also ein mehrstufiger Prozess sein“, erläuterte Domröse.

Der 61-Jährige betonte, dass die neue Krisenwaffe des Westens schnellstmöglich umgesetzt werden soll. „Nach unseren Planungen soll die schnelle Eingreiftruppe im September 2015 am Großmanöver ‚Trident Juncture‘ in Spanien, Italien und Portugal teilnehmen. Wenn alles planmäßig verläuft, kann die schnelle Eingreiftruppe bis Ende 2015 einsatzbereit sein.“

Nicht alle Nato-Länder sollen teilnehmen

Der Oberbefehlshaber des Allied Joint Force Command Brunssum in den Niederlanden, eines der drei europäischen Nato-Kommandos der operativen Führungsebene, betonte, dass nicht alle 28 Nato-Länder an der neuen „Speerspitze“ teilnehmen werden, sondern nur diejenigen, „die über die notwendige Hightech-Ausrüstung und entsprechend ausgebildete Soldaten verfügen“. Auch Länder, die nicht Mitglied der Nato sind, könnten mitmachen. Es würden Luft-, See- und Landstreitkräfte zum Einsatz kommen. „Wir planen so, dass jeweils sechs bis zehn Nationen für ein Jahr die neue Speerspitze bilden und danach gewechselt wird. Es wird nach bisheriger Planung in jedem Zyklus eine Führungsnation geben, wozu ganz sicher irgendwann auch Deutschland gehören wird.“ Die beteiligten Truppen würden an ihren bisherigen Standorten verbleiben und dann für Trainingsmaßnahmen oder Einsätze aus allen Teilen des Bündnisgebietes zusammengeführt. „Diese hoch mobilen Truppen müssen allerdings über eine riesige Luftflotte verfügen, damit sie schnell am Einsatzort sein können“, so Domröse weiter. Die Bereitstellung von Transportmitteln werde „eine der größten Herausforderungen für die Nato-Länder werden“.

Die hohe Einsatzbereitschaft der Nato-Kräfte werde die Mitgliedstaaten „viel Geld“ kosten. „Die Truppe muss bestens ausgerüstet und trainiert sein, und sie muss in Dauerbereitschaft sein, auch an den Wochenenden. Das ist nicht billig, es werden hohe Investitionen in die Verteidigungsbereitschaft der Nato nötig sein“, sagte der General. Die Nato-Staaten hatten sich darauf geeinigt, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung zu investieren. Im vergangenen Jahr wurde das nur von den USA (4,4), Großbritannien (2,4), Griechenland (2,3) und Estland (2,0) erreicht beziehungsweise überschritten. Deutschland kam mit Verteidigungsausgaben von gut 30 Milliarden Euro auf 1,3 Prozent.

Nach Ansicht von Domröse muss sich das Bündnis dringend modernisieren: „Die Nato muss sich fit machen für eine mögliche Kriegführung im 21. Jahrhundert. Dazu gehört die Abwehr von konventionellen Angriffen, aber auch die Fähigkeit, Cyber-Angriffe abzuwehren oder eine lokal begrenzte Destabilisierung durch subversive feindliche Kräfte, die schwer zu fassen sind, zu kontrollieren.“ Der Nato-Gipfel in Wales im September dieses Jahres habe auf die neuen Herausforderungen mit einem ‚Plan für höhere Einsatzbereitschaft’ reagiert.