Gegner schärferer Regeln und ärmere Länder könnten Milliardengeschenke bekommen

Brüssel. In der Klimapolitik will die EU skeptische Regierungen mit Geschenken von ehrgeizigen und rechtsverbindlichen Vorgaben und einer Reform des Handels mit Emissionsrechten für Treibhausgase überzeugen. Um Länder wie das widerwillige Polen von der Reduktion der klimaschädlichen Gase zu überzeugen, sollen ihnen Quoten für Kohlendioxid-Zertifikate weiter umsonst überlassen werden. „Wir sind bereit, schwächeren EU-Staaten Entlastung zu verschaffen“, sagte ein deutscher Regierungsvertreter. Ein entsprechender milliardenschwerer Vorschlag ist in einem Entwurf des Abschlussdokuments für den Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel vorgesehen.

Er könnte Teil eines Kompromisses sein, der den Streit um das rechte Maß in der Klimapolitik mit Geld befriedet. Der Emissionshandel ist das zentrale europäische Instrument für die Verringerung von Treibhausgasen wie Kohlendioxid. Die Staaten versteigern Verschmutzungsrechte an Unternehmen, die diese in der Theorie langfristig teurer kommen sollen als Investitionen in klima- und umweltschonendere Anlagen. Derzeit ist der Preis für solche Zertifikate aber sehr viel niedriger als einmal gedacht. Durch Verknappung und Reformen beim Emissionshandel soll er wieder steigen, so das Ziel der EU-Kommission und einiger Länder: „Die Preise werden steigen müssen in gewissem Umfang, sonst verfehlt der Emissionshandel seine Steuerungswirkung“, sagte der deutsche Regierungsvertreter.

Andere Regierungen fürchten aber genau dies, aus Sorge um die Belastbarkeit ihrer Wirtschaft angesichts strengerer Umweltauflagen: Steigen die Energiepreise, sinkt potenziell die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Regionen der Welt. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie warnte vor einer Verschärfung der Klimaziele. Das vorgeschlagene Transfersystem soll dem „Zweck von Solidarität und Wachstum“ dienen, wie es in den Gipfel-Schlussfolgerungen heißt: Länder, deren Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf weniger als 90 Prozent des EU-Durchschnitts beträgt, sollen zehn Prozent der verfügbaren Zertifikate umsonst bekommen. Das Geschenk käme etwa Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn entgegen.

Unter anderem Deutschland und Frankreich würden auf zehn Prozent der ihnen zustehenden Einnahmen aus dem Verkauf von Verschmutzungsrechten verzichten und sie weiterreichen. Eine neue „Reserve“ der Klimazertifikate – von ein bis zwei Prozent ist die Rede – soll überdies künftig den ärmsten EU-Staaten zukommen. Diese Länder wie Bulgarien, Rumänien oder Kroatien, deren BIP pro Kopf unter 60 Prozent des EU-Durchschnitts liegt, müssten die Mittel nutzen, um die „Energieeffizienz zu verbessern und das Energiesystem zu modernisieren, damit sie ihre Bürger mit saubererer, sicherer und günstiger Energie versorgen können“.

Es wäre ein weiterer Subventionstopf für die wirtschaftlich schwächsten Länder in der EU. Diese „Solidarität“ soll Einigkeit in der Klimapolitik schaffen helfen, was kurz vor dem Gipfel dringend nötig ist. Das Treffen hat Einigung auf die europäische Klima- und Energiepolitik bis 2030 zum Ziel. Die Positionen liegen aber noch weit auseinander.