Parlamentspräsident will 2008 von Putins Plänen, die Ukraine zu teilen, gehört haben

Warschau. Eine öffentliche Rüge von Regierungschefin Ewa Kopacz, ein Entlassungsantrag der Opposition: Als ehemaliger Außenminister sollte der polnische Parlamentspräsident Radoslaw Sikorski mit glattem diplomatischen Parkett vertraut sein. Doch seine jüngsten Äußerungen sind nach Ansicht polnischer Kommentatoren vom Mittwoch eher ein „diplomatischer Selbstmordanschlag“. Seit das US-Onlinemagazin „Politico“ Sikorski mit Äußerungen zu einem angeblichen russischen Vorschlag zur Teilung der Ukraine zitierte, rätselt die polnische Öffentlichkeit über Sikorskis Motive, sich auf diese Weise in die Schlagzeilen zu katapultieren. Ist es Frustration darüber, nicht mehr Mitgestalter der polnischen Außenpolitik zu sein, ein Versuch, wieder mehr internationale Aufmerksamkeit zu erhalten?

Bereits 2008 habe der russische Präsident Wladimir Putin dem damaligen polnischen Regierungschef Donald Tusk das Angebot gemacht, die Ukraine zu teilen, zitierte „Politico“ den einstigen polnischen Chefdiplomaten. „Lwiw ist eine polnische Stadt“ soll Putin der „Politico“-Veröffentlichung zufolge begründet haben. Lwiw (Lemberg) und die Westukraine waren bis zum Zweiten Weltkrieg polnisch. Sikorski, der lange als Top-Kandidat für die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton galt, erklärte zunächst, seine Worte seien „überinterpretiert“ worden. Doch den Kern seiner angeblichen Aussagen dementierte Sikorski nicht. Später sagte er, er sei bei dem Gespräch zwischen Tusk und Putin gar nicht dabei gewesen. Auch bei Ort und Zeitpunkt des Gesprächs habe ihn sein Gedächtnis im Stich gelassen. „Ich habe mich vergaloppiert“, sagte er.

Nun will die nationalkonservative Opposition seine Entlassung als Parlamentspräsident. „Wenn jemand etwas über Pläne zur Teilung eines unabhängigen Staates erfährt, sollte er den polnischen Präsidenten informieren und international Maßnahmen ergreifen. Das ist nicht geschehen“, sagte PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski, dessen Zwillingsbruder Lech, damals Staatspräsident, 2010 beim Flugzeugabsturz im russischen Smolensk ums Leben kam. Tusk, der im Dezember als EU-Ratspräsident nach Brüssel geht, könnte sich durch die Veröffentlichung kompromittiert fühlen. Der einstige Regierungschef müsse jetzt schnell zu den angeblichen Putin-Vorschlägen Stellung beziehen, forderte Leszek Miller vom Linksbündnis SLD. Tusk soll bei einem Treffen mit Kopacz bereits eine Entlassung Sikorskis gefordert haben.