Die Unabhängigkeitsbewegung in Nordostspanien will Referendum vorantreiben

Brüssel. „Gut“ sei der Verbleib der Schotten in Großbritannien, ließ EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Freitag mitteilen. Seine Sprecherin hatte wenig später alle Mühe, dieses „Gut“ zu erklären. So wollen spanische Journalisten wissen, ob die EU-Kommission generell gegen Unabhängigkeitsbestrebungen sei, beispielsweise in Katalonien. So weit mag Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde Hansen nicht gehen – klar sei aber, dass starke Mitgliedstaaten wichtig für ein starkes Europa seien.

Mit dem Nein Schottlands zu einer Loslösung von Großbritannien ist die Debatte in Brüssel noch lange nicht vorbei: Die Fliehkräfte wirken weiter, sowohl auf die Staatengemeinschaft als auch auf einzelne Mitgliedsländer. Vor allem zwei Probleme dürften dem künftigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker und dem designierten Ratspräsidenten Donald Tusk erhalten bleiben: Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien und das vom britischen Premierminister David Cameron in Aussicht gestellte Referendum über einen Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU.

Für Lüder Gerken, Vorsitzender des Centrums für Europäische Politik (Cep), ist Katalonien jedenfalls der dramatischere Fall im Vergleich zu Unabhängigkeitsbewegungen in anderen Ländern: „In Italien, speziell in Norditalien, sehe ich keine wirkliche Bestrebung, sich vom Rest des Landes loszulösen“, sagt er. Ähnliches gelte für Belgien, wo Flamen und Wallonen politisch regelmäßig aneinandergeraten. Am Ende rauften sich die Belgier aber immer wieder zusammen, sagt Gerken.

Anders sei der Fall in der wirtschaftsstarken Provinz Katalonien gelagert: „Die hohe Wahlbeteiligung in Schottland könnte dort den Befürwortern einer Volksabstimmung Auftrieb geben.“ Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy beglückwünschte die Schotten denn auch zum Verbleib im Vereinigten Königreich. Die „schlimmen wirtschaftlichen, sozialen, institutionellen und politischen Folgen einer Trennung von Großbritannien und Europa“ seien vermieden worden, sagte er. Die Regierung in Madrid hat ein für November geplantes Referendum in Katalonien zwar untersagt. Doch der katalanische Regierungschef Artur Mas kündigte an, man mache weiter, weil man sich von der „Demokratie-Lektion, die das Vereinigte Königreich erteilt“ habe, bestärkt fühle. „Wenn der Druck der Katalanen zu stark wird, könnte sich auch die Regierung nicht mehr gegen das demokratische Recht auf ein Referendum verschließen“, sagt Gerken.

Noch mehr Sorgen macht man sich in den Brüsseler EU-Institutionen aber über das Referendum zur EU-Mitgliedschaft Großbritanniens, das Premierminister Cameron im Fall seines Wahlsiegs bei den Parlamentswahlen für das Jahr 2017 in Aussicht gestellt hat. Wenn die Briten in drei Jahren mehrheitlich für den EU-Austritt stimmen, könnte das der Nationalbewegung in Schottland neuen Schwung geben – die Schotten sind EU-freundlich.