Es geht um Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe

Paris. IWF-Chefin Christine Lagarde holt eine seit Langem schwelende Affäre aus ihrer Zeit als französische Finanzministerin ein. Ihr Anwalt sagte am Mittwoch, gegen Lagarde werde ermittelt. Ihr wird fahrlässiges Verhalten im Amt vorgeworfen. Ein Vergehen, das mit bis zu einem Jahr Haft und 15.000 Euro Geldstrafe geahndet werden kann. Lagarde nennt die Vorwürfe haltlos. „Ich werde mit allen rechtlichen Mitteln dagegen vorgehen“, sagte sie dem Sender BFMTV.

Die Ermittlungen kreisen um die sogenannte Tapie-Affäre. Die Justiz will wissen, warum sich Lagarde als Finanzministerin 2008 dazu entschloss, ein langjähriges juristisches Tauziehen zwischen dem Staat und dem Unternehmer Bernard Tapie mit der Zahlung von 403 Millionen Euro außergerichtlich zu beenden. Pikant an dem Geldtransfer ist, dass der schillernde Geschäftsmann den damaligen konservativen Präsidenten Nicolas Sarkozy beim Rennen um den Élysée-Palast tatkräftig unterstützt hatte. Die Justiz prüft nun, ob der enge Draht zur Staatsspitze eine Rolle bei der unangemessen hohen Geldzahlung an Tapie spielte.

Die Ex-Finanzministerin ist nach Angaben ihres Anwalts diese Woche bereits zum vierten Mal in der Affäre von einem Untersuchungsrichter in Paris befragt worden – allerdings nur als „Zeugin mit Rechtsbeistand“. Da nun formale Ermittlungen gegen sie laufen, ändert sich ihr Status. Es gibt damit nach Ansicht der Justiz einen Anfangsverdacht gegen Lagarde. Ob es zu einem Verfahren kommt, ist damit jedoch noch offen.

Grund für die Zahlung an Tapie war der Verkauf seiner Anteile an dem deutschen Sportartikel-Hersteller Adidas an die französische Bank Crédit Lyonnais 1993. Tapie hatte in einem jahrelangen Rechtsstreit geltend gemacht, bei dem Geschäft benachteiligt worden zu sein, und forderte Schadenersatz. Lagarde hat nach französischen Presseberichten ausgesagt, dass ihr damaliger Mitarbeiter Stephane Richard eine Unterschriften-Stanze unter ein Dokument gesetzt habe, das den Geldtransfer erleichtert habe. Richard, der mittlerweile an der Spitze des französischen Telekom-Branchenprimus Orange steht, will seine damalige Chefin darüber voll eingeweiht haben.

Nach französischem Gesetz entsprechen die Ermittlungen gegen Lagarde einer vorläufigen Anklage. Die Ermittlungsrichter können den Fall entweder fallen lassen oder entscheiden, dass offiziell Anklage erhoben wird und es zu einem Gerichtsverfahren kommt.

Lagarde führt mittlerweile seit Juli 2011 den IWF. Sie folgte auf Dominique Strauss-Kahn, der den Posten nach einem Sexskandal aufgeben musste. Bereits im vorigen Jahr hatte sich die Führung des Fonds mit den möglichen Folgen der Affäre für Lagarde auseinandergesetzt. Sie kam zu dem Urteil, dass ihre Führungskraft nicht dadurch leide.