Drei Top-Kommandeure der militanten Palästinenser im Gazastreifen bei Raketenangriff getötet. Kassam-Brigaden richten Kollaborateure hin

Gaza/Tel Aviv. Vor dem Morgengrauen schlugen Raketen der israelischen Luftwaffe in einem Wohnhaus in Rafah ein. Sie töteten drei Top-Kommandeure der radikalislamischen Hamas in ihrem Versteck im südlichen Gazastreifen. Von dem vierstöckigen Haus blieben nur Trümmer übrig. Israel feierte den tödlichen Schlag gegen Mohammed Abu Schimala, Raed al-Attar und Mohammed Barhum am Donnerstag als großen Erfolg seines Geheimdienstes.

Der militärische Hamas-Arm, die Kassam-Brigaden, kündigte Rache für das „Verbrechen“ Israels an. Insgesamt kamen nach palästinensischen Angaben bei israelischen Angriffen im Gazastreifen am Donnerstag 22 Menschen ums Leben. Vier davon seien getötet worden, während sie versuchten, zuvor getötete Verwandte zu beerdigen.

Ein Kommentator des israelischen Rundfunks sprach nach dem Angriff auf die Kommandeure von einem „sehr schweren Schlag für die militärische Spitze der Hamas im Süden des Gazastreifens“. Es sind die bisher ranghöchsten Militärführer, deren Tod die radikalislamische Organisation seit Beginn des Gaza-Krieges am 8. Juli bestätigt hat.

Al-Attar war nach israelischen Informationen für die Entführung des Soldaten Gilad Schalit im Jahre 2006 und mehrere Anschläge auf Israel verantwortlich. Er soll auch zentral am Waffenschmuggel in den Gazastreifen beteiligt gewesen sein. Schimala galt als einer der wichtigsten Architekten der Angriffstunnel im Grenzbereich zu Israel.

Nach dem Scheitern der Waffenruhegespräche in Kairo nimmt Israel damit offenbar vermehrt die militärische Hamas-Führungsriege ins Visier. „Niemand ist gefeit“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Militante Palästinenserführer seien ein „legitimes Ziel“. Die Angriffe auf den Hamas-Militärchef Mohammed Deif am Dienstagabend sowie auf das Haus in Rafah zeigten, dass Israel die Politik der gezielten Tötungen wieder aufgenommen habe, sagte der israelische Militärexperte Amos Harel.

Nach dem vorhergehenden Gaza-Krieg im Jahre 2012 hatte Israel sich in den Vereinbarungen über eine Waffenruhe mit der Hamas dazu verpflichtet, diese Praxis zu beenden. Die Zeitung „Haaretz“ kritisierte, gezielte Tötungen seien keine Lösung. „Der einzige Ausweg aus dem Gazakonflikt und der Isolation Israels ist die Diplomatie“, betonte das linksliberale Blatt.

Die Hamas sucht nach dem Angriff in Rafah fieberhaft nach Verrätern in den eigenen Reihen. Die Kassam-Brigaden teilten mit, sie hätten im Gazastreifen drei Männer getötet, weil diese mit Israel zusammengearbeitet hätten, insgesamt seien sieben mutmaßliche Kollaborateure festgenommen worden. „Der israelische Geheimdienst ist offenbar tief in den militärischen Arm der Hamas eingedrungen“, sagt Amos Harel. Der Tod der Kommandeure erschüttere die Organisation und versetze ihrer Kampfmoral einen Dämpfer. Der frühere Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Amos Jadlin, erklärte den Entscheidungsprozess vor gezielten Tötungen. „Bei dem Abzielen auf die Hamas-Führung gibt es gewisse Einschränkungen – nur wenn man verlässliche Geheimdienstinformationen hat und der mögliche Kollateralschaden minimal ist, schickt man die Luftwaffe los.“ Bei dem Angriff auf das Haus von Hamas-Militärchef Mohammed Deif starb nach palästinensischen Angaben jedoch auch dessen Tochter.

Angesichts der vielen Toten und der verheerenden Zerstörungen im Gazastreifen falle es der Organisation auch immer schwerer, der eigenen Bevölkerung zu erklären, warum der Krieg fortgesetzt werden müsse, sagte Amos Jadlin, der heute das Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv leitet.

Dennoch will Israel nach Medienberichten im Gaza-Krieg erneut 10.000 Reservisten einberufen. Eine Armeesprecherin sagte am Donnerstag, die Berichte würden geprüft. Während der Bodenoffensive in dem Palästinensergebiet hatte die Armee 82.000 Reservisten im Einsatz. Viele davon wurden nach dem Abzug der Truppen zu Monatsbeginn wieder nach Hause geschickt. Die neue Mobilisierung wurde als Warnsignal an die im Gazastreifen herrschende Hamas gewertet, dass eine neue Bodenoffensive Israels bevorstehen könnte.