Präsidentschaftskandidat Ekmeleddin Ihsanoglu berichtet nach seiner Stimmabgabe von etlichen Wählern, die für Gefälligkeiten vorsorglich ihren angekreuzten Wahlzettel abfotografiert hätten.

Istanbul. In der Türkei hat am Sonntagmorgen die Präsidentenwahl begonnen. Klarer Favorit für die Nachfolge von Staatschef Abdullah Gül ist Regierungschef Recep Tayyip Erdogan.

Gegen ihn treten der frühere Chef der Organisation für Islamische Zusammenarbeit, Ekmeleddin Ihsanoglu, und der kurdische Politiker Selahattin Demirtas an.

Erdogan lag in den letzten Umfragen 20 Prozentpunkte vor seinen Konkurrenten und könnte damit die Abstimmung in der ersten Runde für sich entscheiden.

Es ist das erste Mal, dass der Präsident des Nato-Mitglieds und EU-Beitrittskandidaten direkt vom Volk gewählt wird. Das gilt als Wendepunkt in der 91-jährigen Geschichte des Landes. Bis jetzt war der Präsident immer durch das Parlament bestimmt worden.

Eine Ausnahme ist Ex-Präsident Kenan Evren, der 1982 durch ein Referendum bestätigt worden war - zwei Jahre, nachdem er die Macht durch einen Militärputsch übernommen hatte.

Wahlberechtigt sind 53 Millionen Türken, darunter etwa 1,4 Millionen in Deutschland lebende Staatsbürger. Sie konnten Anfang August erstmals ihre Stimme in sieben deutschen Städten abgeben. Die Wahlzettel wurden zur Auszählung in die Türkei geflogen. Dort kann heute nun in landesweit mehr als 160.000 Wahllokalen gewählt werden.

Erdogan hat angekündigt, die Macht des Staatsoberhauptes deutlich auszuweiten. Zu seinen wichtigsten Anhängern gehören religiöse Konservative. Kritiker werfen dem 60-Jährigen vor, während seiner zehnjährigen Zeit als Ministerpräsident die Bürgerrechte eingeschränkt zu haben.

Abendblatt.de hält Sie zur Türkei-Wahl auf dem Laufenden:

+++ Berliner Türken reagieren verhalten auf Erdogan-Wahl +++

22.54 Uhr: Die Reaktionen der türkischen Einwohner Berlins auf die Wahl von Recep Tayyip Erdogan zum neuen türkischen Staatspräsidenten sind am Sonntagabend verhalten ausgefallen. Spontane Kundgebungen oder Demonstrationen gab es zunächst nicht. Die Polizei erklärte, es habe auch keine Zwischenfälle in Zusammenhang mit der Wahl gegeben.

Auch in Kreuzberg und Neukölln, wo viele der knapp 140.000 Berliner mit türkischer Staatsangehörigkeit leben, blieb es ruhig. Dort wurde in einigen Cafés die türkische Wahlberichterstattung im Fernsehen übertragen, aber viele der Gäste schauten kaum hin. „Jeder wusste doch schon lange vorher, dass Erdogan gewinnt“, sagte der 59-jährige Hüseyin im Café Can in Neukölln.

+++ Präsident der Wahlkommission bestätigt Sieg Erdogans +++

21.25 Uhr: Der Präsident des Hohen Wahlausschusses der Türkei hat den Sieg von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bestätigt. Erdogan habe offensichtlich mit absoluter Mehrheit gewonnen, sagte Sadi Güven.

+++ Ihsanoglu gratuliert Erdogan zu Wahlsieg +++

21.12 Uhr: Der wichtigste Oppositionskandidat bei der Präsidentenwahl in der Türkei hat Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zum Wahlsieg beglückwünscht. „Ich gratuliere dem Ministerpräsidenten und wünsche ihm Erfolg“, sagte Ekmeleddin Ihsanoglu in Istanbul.

+++ Oppositionskandidat Ihsanoglu gesteht Niederlage ein +++

20.40 Uhr: Der aussichtsreichste Gegenkandidat von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei hat seine Niederlage eingestanden. Er habe die Wahl verloren, sagte Ekmeleddin Ihsanoglu am Sonntagabend. Inoffiziellen Ergebnissen zufolge erreichte Erdogan eine absolute Mehrheit und gewann die Wahl damit bereits in der ersten Runde.

Bei einem Auszählungsgrad von fast 94 Prozent kam Erdogan nach Berechnungen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu auf 53,05 Prozent der Stimmen. Ihsanoglu lag bei 37,81 Prozent, der dritte Kandidat Selahattin Demirtas bei 9,14. Anadolu hatte Mitarbeiter in jedem Wahllokal des Landes stationiert, die die Zentrale über die Ergebnisse in den einzelnen Wahlkreisen informierten.

+++ Vorläufiges Ergebnis: Erdogan neuer Präsident der Türkei +++

19.25 Uhr: Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat die Präsidentenwahl in der Türkei nach dem vorläufigen Ergebnis bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewonnen. Nach Auszählung fast aller Stimmen kam der islamisch-konservative Politiker auf mehr als 52 Prozent, wie türkische Fernsehsender am Sonntagabend berichteten.

+++ Justizminister: Erdogan gewinnt Präsidentenwahl in Türkei +++

19.01 Uhr: Recep Tayyip Erdogan hat die Präsidentenwahl am Sonntag gewonnen. Dies erklärte Justizminister Bekir Bozdag.

+++ Medien: Erdogan bei Präsidentenwahl klar in Führung +++

17.26 Uhr: Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat die Präsidentenwahl nach ersten Teilergebnissen bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewonnen. Demnach kommt der Vorsitzende der islamisch-konservativen AKP auf über 55 Prozent, wie der Sender CNN Türk am Sonntag nach Auszählung von mehr als der Hälfte der Stimmen meldete.

Der Gemeinschaftskandidat der beiden größten Oppositionsparteien CHP und MHP, Ekmeleddin Ihsanoglu, liegt demnach bei gut 36 Prozent. Der Kandidat der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, erzielte bei diesem Stand der Auszählung knapp 9 Prozent.

+++ Unregelmäßigkeiten bei der Wahl? +++

14.54 Uhr: Nach seiner Stimmabgabe sagte Erdogans Hauptkonkurrent Ihsanoglu, die Augen der ganzen Welt ruhten auf der Türkei. „Die Türkei hat sich angestrengt, eine erstklassige Demokratie zu werden (...) und das wird sie hoffentlich heute erreichen.“

Ihsanoglu hatte seinen Wahlkampf auf die Themen Einheit und Zusammenwachsen fokussiert und versprochen, ein Präsident für alle Türken sein zu wollen. Der 70-Jährige sagte, am Sonntagmorgen sei von einigen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl berichtet worden. Einige Wähler hätten ihre angekreuzten Wahlzettel mit dem Handy fotografiert. Damit wollten sie beweisen, für welche Partei sie gestimmt hätten, und wollten im Gegenzug Gefälligkeiten erhalten. Es werde eine offizielle Klage eingelegt.

Ihsanoglu war von 2004 bis 2014 als Generalsekretär in der Organisation für Islamische Zusammenarbeit tätig. Er wird von mehr als einem Dutzend Oppositionsparteien unterstützt, darunter zwei wichtige: die Republikanische Mitte-Links Partei und die rechte Nationalistische Partei.

+++ Endergebnis erst am 15. August +++

13.30 Uhr: In gut anderthalb Stunden schließen die Wahllokale. Das offizielle Resultat wird aller Voraussicht aber erst am 15. August verkündet.

+++ Herausforderer erledigen die Pflicht +++

12.44 Uhr: Während sich Erdogan selbst mit dem Gang zur Urne offenbar noch ein wenig Zeit lässt, haben seine Herausforderer bereits gewählt. Oppositionsführer Ihsanoglu gab seine Stimme unter großer Aufmerksamkeit einem Istanbuler Wahllokal ab, der 41-jährige kurdische Politiker Demirtas erledigte seine Pflicht in Diyarbakir. Der Republikaner Kemal Kilicdaroglu schließlich wählte in der Hauptstadt Ankara.

+++ Diesen Krisen sieht sich Erdogan ausgesetzt +++

12.12 Uhr: Momentan gibt es wenig zu vermelden aus der Türkei. So bleibt Zeit für eine keine kurze Erdogan-Zwischenbilanz. Vor allem seit Sommer vergangenen Jahres sieht sich der türkische Ministerpräsident immer wieder Krisen gegenüber. Zur Präsidentenwahl ist sein Image im Westen so schlecht wie nie. Seine Regierung hat aber auch Erfolge zu verbuchen - die für viele Türken schwerer wiegen als die Probleme.

Und das sind die Krisen:

- Gezi-Proteste: Sie wurden ausgelöst von Plänen der Regierung, den Gezi-Park in Istanbul zu bebauen. Ende Mai 2013 schlugen die Proteste in landesweite Demonstrationen um, gegen die die Polizei mit großer Härte vorging. Die Polizeigewalt löste international Proteste aus. Erdogan bezeichnete die Polizisten dagegen als „Helden“.

- Korruptionsaffäre: Im Dezember wurden Dutzende Menschen aus dem Umfeld von Erdogans AKP unter Korruptionsverdacht festgenommen. Vier Minister mussten ihren Hut nehmen, Erdogan wurde zu einer weitreichenden Kabinettsumbildung gezwungen. Seine Regierung ließ Ermittler ablösen und versetzen. Der Versuch Erdogans, die Kontrolle über die Justiz zu verstärken, scheiterte am Verfassungsgericht.

- Telefonmitschnitte: Vor der Kommunalwahl Ende März, die Erdogan zu einem Referendum über seine Politik erklärt hatte, wurden über soziale Netzwerke kompromittierende Telefonmitschnitte verbreitet. Sie brachten auch Erdogans familiäres Umfeld unter Korruptionsverdacht. Die Regierung ließ Twitter und YouTube sperren. Das Verfassungsgericht hob die Sperren später wieder auf.

- Soma: Das Bergwerksunglück von Soma im Mai war das schwerste in der Geschichte der Türkei und kostete mehr als 300 Kumpel das Leben. Die Sicherheit der Gruben wurde in Zweifel gezogen. Politische Verantwortung übernahm die Regierung nicht.

- Gülen: Für die meisten innenpolitischen Krisen macht Erdogan die mächtige Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen mitverantwortlich. Erdogan wirft seinem einstigen Verbündeten vor, einen Staat im Staate errichten zu wollen und seinen Sturz zu betreiben. Die Regierung geht massiv gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger vor, die sie vor allem bei der Polizei und in der Justiz vermutet.

- Außenpolitik: Die von der Erdogan-Regierung verfolgte „Null- Probleme-mit-den-Nachbarn“-Politik ist gescheitert. Mit den meisten Staaten in der Region ist das Verhältnis zerrüttet. Auch der EU-Beitrittsprozess tritt auf der Stelle. ERFOLGE:

- Wirtschaft: Sie ist das wichtigste As in Erdogans Ärmel. Während seiner mehr als elfjährigen Regierungszeit hat sich das Pro-Kopf-Einkommen nach Daten der Weltbank in etwa verdreifacht. Entsprechend sank der Anteil der Armen an der Bevölkerung von mehr als 20 Prozent auf 2,3 Prozent (2012). Das Wirtschaftswachstum lag 2013 laut Weltbank bei 4,0 Prozent.

- Infrastruktur: Eng mit der Wirtschaft verbunden ist die Infrastruktur. Straßen, Flughäfen, Hochgeschwindigkeitstrassen der Bahn und Kraftwerke werden gebaut. Im vergangenen Jahr eröffnete Erdogan einen Bahntunnel unter dem Bosporus.

- Kurden-Konflikt: Erdogan ist der erste Regierungschef, der die Lösung des seit 30 Jahren andauernden gewaltsamen Konflikts mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK angegangen ist. Derzeit gilt eine Waffenruhe. Das Parlament in Ankara verabschiedete im vergangenen Monat ein Gesetz, das eine Wiedereingliederung von PKK-Kämpfern ermöglichen soll.

- Militär: Erdogan ist es gelungen, das Militär, das in der Vergangenheit mehrfach geputscht hatte, in die Schranken zu weisen. Mit einer Verfassungsreform im Jahr 2010 wurden Militärs bei verfassungswidrigen Handlungen ziviler Gerichtsbarkeit unterstellt.

- Stolz: Mit seinem selbstbewussten Auftreten vermittelt Erdogan seinen Anhängern das Gefühl, stolz auf die Türkei sein zu können. Viele Türken fühlen sich auch wegen der schleppenden EU-Verhandlungen nicht willkommen in Europa. Besonders Auslandstürken sehen sich in Staaten wie Deutschland als Bürger zweiter Klasse behandelt.

+++ Stichwahl am 24. August möglich +++

9.29 Uhr: Übrigens: Um zu gewinnen, muss ein Kandidat die absolute Mehrheit erringen. Falls das nicht gelingt, soll es am 24. August eine Stichwahl zwischen den beiden Führenden geben. Die Präsidentschaft dauert fünf Jahre.