Argentinien in Fängen von zwei amerikanischen Hedgefonds. Land geriet damit in viertgrößte Staatspleite in der Wirtschaftsgeschichte. Zweite Zahlungsunfähigkeit innerhalb von 13 Jahren.

Schon 2001 war Argentinien am Boden. Die Staatspleite des Landes trieb wütende Bürger auf die Straßen, die ihre von der Regierung konfiszierten Ersparnisse zurückforderten. In Buenos Aires, Rosario und anderen Städten marschierte die Bereitschaftspolizei auf. Es kam zu Plünderungen und Krawallen. 13 Jahre später ist das Land wieder pleite, doch diesmal regiert Resignation, nicht Panik und Zorn.

Vor dem neokolonialen Gebäude in Buenos Aires, das einst von der Bank of Boston erbaut wurde und 2001 Zentrum der Proteste war, schlagen diesmal keine Demonstranten mit Pfannen und Töpfen auf die Eisentore ein. Stattdessen stehen Büroangestellte in der jetzt dort befindlichen Filiale der Industrial and Commercial Bank of China, um Geld abzuheben oder Überweisungen zu machen.

Am Mittwoch scheiterten Verhandlungen Argentiniens mit US-Hedgefonds, die sich nicht an dem Schuldenschnitt nach der Pleite von 2001 beteiligt hatten. Das Land rutschte abermals in die Zahlungsunfähigkeit, weil es die 1,5 Milliarden Dollar an die von NML Capital angeführten Gläubiger nicht bezahlen wollte. Bis zur Begleichung dieser Schulden darf die Regierung auch andere Anleihenzinsen nicht bezahlen. Durch das Scheitern der Einigung bis zum Ende einer Frist um Mitternacht wurde das Land als säumiger Schuldner bewertet.

Grund für die vergleichsweise Ruhe unter den Argentiniern ist, dass Argentinien sich von dem damaligen Chaos nie wirklich erholt hatte. Anders als in den 1990ern, als das Land massiv Auslandsschulden aufnahm, während Anleger Loblieder auf die damalige auf dem Dollar basierte Wirtschaft Argentiniens sangen, war das Land für die vergangenen zehn Jahre weitgehend von den internationalen Kapitalmärkten ausgeschlossen. Dadurch wurde Argentinien ungewollterweise zum Symbol der Genügsamkeit, während Europa und die USA sich zwingen mussten, ihre Gürtel enger zu schnallen. Das Verhältnis des öffentlichen Schuldenstands zum BIP, das als Indikator für die finanzielle Gesundheit eines Staates gilt, fiel von 127 Prozent vor zehn Jahren um mehr als die Hälfte.

Die harte Verhandlungsposition der Regierung, die gegen die „Geier“ in den USA wettert, wird Umfragen zufolge auch von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. „Sie versuchen, uns Angst einzujagen und sagen, dass wenn wir nicht machen, was sie verlangen, die zehn Plagen von Ägypten über uns kommen werden“, sagte die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner am Dienstag bei einem Gipfeltreffen in Venezuela. „Schauen Sie mal, die zehn Plagen von Ägypten sind schon 2001 über uns gekommen, als eine andere Regierung genau den Anordnungen aus dem Ausland folgte.“

Ganz ohne Kosten wird die Staatspleite aber für Argentinien nicht bleiben. Das Land befindet sich bereits jetzt in einer Rezession, es fehlen Devisen, und die Inflation wird auf rund 40 Prozent geschätzt. Die von Kirchner vorangetriebene Aufpolierung des argentinischen Images unter Anlegern dürfte weitgehend zunichte gemacht sein. Die Präsidentin hatte sich unter anderem mit dem spanischen Ölkonzern Repsol geeinigt, ihm fünf Milliarden Dollar für seine Enteignung in Argentinien zu bezahlen. Mit dem Pariser Club von Gläubigernationen verständigte sie sich im Mai auf einen Abzahlungsplan für seit 2001 ausstehende Schulden im Umfang von 9,7 Milliarden Dollar.

Im Kontrast zu den Bürgern reagierten die Märkte in Buenos Aires heftig. Die Renditen für argentinische Staatsanleihen schossen zeitweise um gleich zwei Prozentpunkte auf 10,7 Prozent in die Höhe. Der Börsenindex Merval krachte in die Tiefe. Von dem Zahlungsausfall sind Anleihen im Volumen von insgesamt 29 Milliarden Dollar betroffen. Damit handelt es sich nicht nur um die viertgrößte Staatspleite in der Wirtschaftsgeschichte, sondern es ist ein weiterer Beleg dafür, dass auch ganze Staaten pleitegehen können.

Im Jahr 2012 hatte Griechenland mit umgerechnet 261 Milliarden Dollar die größte Pleite aller Zeiten hingelegt. Den zweiten Platz im historischen Ranking nimmt bereits Argentinien ein, das im Jahr 2001 die Gläubiger um 82,3 Milliarden Dollar prellte. Russland findet sich auf dem dritten Rang wieder mit einem Ausfall von 70 Milliarden Dollar.

Die jetzige Pleite in Argentinien unterscheidet sich fundamental von jener vor fast dreizehn Jahren. Damals sah sich die Regierung außerstande, die Schulden zu begleichen und konnte auch die Staatsbediensteten nicht mehr bezahlen. Heute wollte die Regierung in Buenos Aires die Forderungen der als „erpresserische Geierfonds“ geschmähten Gläubiger nicht bedienen. „Eine Staatspleite hat oft mit dem Unwillen einer Regierung zu tun, Gläubiger zu bedienen, und nicht unbedingt damit, kein Geld mehr in der Kasse zu haben“, erklärt Steve Hanke, Professor an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore (USA). Darin unterscheiden sich Staatspleiten von privaten Konkursen. Anders als private Schuldner können die Gläubiger nicht einfach den Konkursrichter losschicken und Staatseigentum pfänden lassen. Bei Staaten handelt es sich um souveräne Einheiten, auf die Gläubiger keinen Zugriff haben. Wegen dieser Besonderheiten gilt ein Land bei den Rating-Agenturen als pleite, wenn es seinen Zahlungsverpflichtungen nicht fristgerecht nachkommt, also Zinsen oder andere Verbindlichkeiten nicht pünktlich bezahlt.

Genau das ist jetzt bei Argentinien der Fall. Denn das Land hat durchaus noch genügend Geld, um die Gläubiger zu bedienen. Die Währungsreserven betragen knapp 30 Milliarden Dollar – genug, um die Pleite abzuwenden. Die Regierung in Buenos Aires hatte sich geweigert, den Hedgefonds die von einem New Yorker Gericht zugesprochenen 1,33 Milliarden Dollar plus Zinsen auszuzahlen. Die Hedgefonds hatten die Anleihen mit einem kräftigen Preisnachlass erworben, einen Schuldenschnitt verweigert und dann auf volle Auszahlung geklagt. Der New Yorker Richter hatte geurteilt, dass ohne die Lösung dieses Konflikts auch die Besitzer der restlichen Anleihen nicht bedient werden dürfen. Und so kam es dazu, dass das Finanzministerium in Buenos Aires Zinszahlungen in Höhe von 539 Millionen Euro nicht auszahlen konnte. Eigentlich wäre das Geld bereits Ende Juni fällig gewesen, doch es gab eine Gnadenfrist, die nun auslief.

Nach Ansicht von Beobachtern spielt die Regierung auf Zeit und will das Verfahren mit den Hedgefonds hinauszögern. Sollte es ausgesetzt werden, könnte Argentinien die Gespräche nächstes Jahr fortsetzen. Dann können sich Gläubiger, die den Schuldenschnitt akzeptiert haben, nicht mehr auf die sogenannte RUFO-Klausel zur Besserstellung berufen. Die Regelung läuft Ende Dezember aus. Da sich mehr als 90 Prozent der Gläubiger auf den Schuldenschnitt eingelassen haben, muss Argentinien bei einer Auszahlung der Hedgefonds ohne Abschlag eine Prozesslawine fürchten.