Gaza erlebt erneut schlimme Bombennacht. Das einzige Kraftwerk geht in Flammen auf

Tel Aviv. Schon mehrfach schien ein Waffenstillstand im Gaza-Konflikt unmittelbar bevorzustehen. Bisher sind die Hoffnungen noch jedes Mal enttäuscht worden – meist brach die Hamas die Feuerpausen. Als Yasser Abed Rabbo, ein hochrangiger Fatah-Politiker aus dem Westjordanland, am Dienstagmittag mitteilte, die Hamas werde einen einseitigen Waffenstillstand von zunächst 24 Stunden verkünden, der dann auf 72 Stunden verlängert werden könne, war das deshalb schon eine Überraschung. Doch die Ernüchterung folgte sofort: Ein Sprecher der Organisation in Gaza sagte, es handele sich um eine Falschmeldung, die mit der Position der Hamas nichts zu tun habe. Auch der israelische Regierungssprecher wies den Vorschlag zurück. Solange Israel nichts direkt von der Hamas höre, sei das Angebot nicht seriös.

So gingen die Kämpfe auch am Dienstag weiter. Ob Israel seine vor vierzehn Tagen begonnene Bodenoffensive ausweiten möchte, ist aber unklar. Ein namentlich nicht genannter hochrangiger Offizier der Streitkräfte wurde in israelischen Medien mit der Einschätzung zitiert, man habe die gesetzten Ziele jetzt erreicht. „Die politische Führung muss nun eine Entscheidung treffen, ob wir weiter nach Gaza eindringen oder uns zurückziehen“, sagte er. Andere Stimmen aus der Armee weisen allerdings darauf hin, dass Israel noch mindestens mehrere Tage benötige, um das Tunnelsystem nachhaltig zu zerstören.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Montag seine Landsleute auf einen längeren Krieg eingestellt, der erst dann enden werde, wenn das Tunnelsystem der Hamas zerstört und der Gazastreifen entmilitarisiert sei. Zuvor waren trotz einer Feuerpause Hamas-Kämpfer durch einen Tunnel nach Israel vorgedrungen und hatten einen Wachposten beschossen. Dabei wurden fünf Soldaten getötet.

Netanjahu hat zu Beginn der Offensive ein Ende des Raketenbeschusses und Schwächung der Hamas als Ziele definiert. Während der Raketenbeschuss in den vergangenen Tagen deutlich abgenommen hat, ist unklar, welche ihrer begrenzten militärischen Möglichkeiten der Hamas noch bleiben. Wohl mehr als die Hälfte des Raketenarsenals wurde bereits eingesetzt oder zerstört, auch die Moral der Kämpfer in Gaza scheint abzunehmen. Nicht abgenommen haben allerdings die Bemühungen der Islamisten, einen aufsehenerregenden Anschlag zu verüben oder einen israelischen Soldaten durch einen Tunnel zu entführen.

Drei Wochen nach Beginn der Militäroperation waren die israelischen Bombenangriffe während der Nacht zu Dienstag nach Augenzeugenberichten die schlimmsten seit Beginn der Offensive. Mindestens 43 Palästinenser wurden getötet. Das Militär habe aus der Luft, mit Artillerie und von Kriegsschiffen aus geschossen, hieß es. Nach Medienberichten griff die Armee 150 Ziele an, darunter zwei Kommandozentralen der radikal-islamischen Hamas und vier Waffenlager, die sich in Moscheen befanden, sowie Hafenanlagen. Auch das Haus des Hamas-Spitzenpolitikers Ismail Hanija wurde getroffen. Der Funktionär und seine Familie waren zu dem Zeitpunkt nicht dort. Am Vormittag wurde das einzige Elektrizitätswerk des abgeriegelten Mittelmeer-Küstenstreifens von Granaten getroffen. Ein Feuer brach aus und das Kraftwerk fiel komplett aus. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv teilte mit, man prüfe den Bericht. Das Kraftwerk erzeugt Strom für Haushalte, Betriebe, Krankenhäuser und Abwasserpumpen im Gazastreifen.

Militante Palästinenser setzten ihre Angriffe auf Israel fort. Am Morgen fing das Abwehrsystem eine Rakete über der Stadt Aschkelon ab. In Tel Aviv hatten am Dienstag zum ersten Mal mitten in der Nacht die Alarmsirenen geheult. Zwei Raketen seien nahe Rischon Lezion südöstlich von Tel Aviv eingeschlagen, teilte die Armee mit.

Die USA reagierten derweil verstimmt auf israelische Kritik an den Bemühungen von US-Außenminister John Kerry, eine Waffenruhe im Gaza-Konflikt zu vermitteln. In Washington sprach Außenamtssprecherin Jen Psaki verärgert von einer bewussten Desinformationskampagne aus Israel. „Aus unserer Sicht ist das einfach nicht die Art, wie Partner und Verbündete miteinander umgehen“, sagte Psaki.

Kerry hatte Israel den Entwurf für ein Waffenstillstandsabkommen zukommen lassen und damit im israelischen Sicherheitskabinett für Entsetzen gesorgt: Während viele der Forderungen der Hamas explizit aufgeführt waren, suchte man einen Hinweis auf israelische Sicherheitsinteressen vergebens. Zudem schien Kerry die traditionelle Vermittlerrolle Ägyptens an das Emirat Katar und die Türkei ausgelagert zu haben. Beide Länder sind der Hamas sehr freundlich gesonnen. Auch die Palästinenser-Regierung von Präsident Mahmud Abbas und die ägyptische Regierung waren über den amerikanischen Vorstoß deshalb verärgert.