Nach dem Abschuss von Flug MH17 in der Ostukraine müssen internationale Experten weiter warten – USA geben Russland Mitverantwortung für Katastrophe

Moskau. Drei Tage nach dem Absturz der Boeing 777, Flug MH17, in der Ostukraine hat die Untersuchung der Ursache noch nicht einmal begonnen. Die Wrackteile des Fliegers sind auf einer Fläche von rund 35 Quadratkilometern in Feldern neben den Dörfern Grabowe, Petropawlawskaja und Rassypnaja verstreut. Die Gegend ist unter Kontrolle der prorussischen Separatisten, und diese scheinen nicht daran interessiert zu sein, dass eine objektive Untersuchung durchgeführt wird. Die Spuren der Katastrophe, die den Fortgang der Ukraine-Krise und die Position Russlands in der Welt entscheidend beeinflussen dürfte, verwischen damit von Tag zu Tag mehr.

Bei der Katastrophe kamen 298 Menschen ums Leben, bislang sollen 219 Leichen gefunden worden sein. Die Rebellen erklärten am Sonntag, zumindest einen Teil dieser Leichen habe man in Kühlwaggons verladen und in die Stadt Tores gebracht. Michael Bociurkiw, Sprecher der OSZE-Mission vor Ort, wurde zwar zu den Waggons vorgelassen – es sei allerdings unmöglich gewesen, die Leichen zu zählen. Der OSZE-Mann sprach lediglich von einem „Dutzend“ Körpern, die er persönlich gesehen habe. Seit Freitag wird die Arbeit des OSZE-Teams vor Ort durch bewaffnete Rebellen behindert.

Am Sonnabend wurden die Beobachter immerhin zum Absturzort vorgelassen – frei bewegen konnten sie sich allerdings nicht. Im Gegenteil: Als ein OSZE-Mann einen bestimmten Bereich, in dem die Rebellen die Arbeit erlaubt hatten, verlassen wollte, wurde ein Warnschuss abgefeuert. Zuständig für die Untersuchung der Absturzursache sind jedoch internationale Experten, die bis jetzt in Kiew warten. Nun droht der Westen Russlands Präsident Wladimir Putin eine Verschärfung der Sanktionen an, sollte er nicht auf die Rebellen einwirken. Moskau müsse Maßnahmen ergreifen, damit internationale Experten Zugang zum Absturzost bekommen.

Die Rebellen zeigten sich davon unbeeindruckt am Sonntag. Sie erklärten sie seien im Besitz des Flugschreibers, der zur abgestürzten Boeing gehört. Die gefundenen Teile könnten sie nicht selbst untersuchen, weil sie dafür keine Spezialisten hätten, sagte Rebellenführer Alexander Borodaj, der selbst ernannte Gouverneur der Volksrepublik Donezk. Ukrainischen Ermittlern brächten die Rebellen „kein Vertrauen“ entgegen, das Material könne jedoch „internationalen“ Ermittlern übergeben werden.

Die Aufrichtigkeit dieser Absicht darf bezweifelt werden. Der ukrainische Geheimdienst SBU veröffentlichte die Aufnahme eines angeblichen Gesprächs zwischen Separatisten, in dem von der Suche nach den Flugschreibern die Rede war. „Moskau interessiert sich dafür, wo die Flugschreiber sind“, ist eine männliche Stimme zu hören, die nach Angaben des SBU zum Rebellenkommandeur Alexander Chodakowski gehört. „Wir sollen sie in unsere Kontrolle bringen.“ In einer weiteren Aufnahme heißt es: „Nichts, was ihr findet, darf in die Hände von Fremden geraten.“ Damit sei auch die OSZE gemeint. Die Separatisten machen sich dabei das Chaos am Ort der Katastrophe zunutze. Auf ihren Pressekonferenzen erklären sie, mit internationalen Experten kooperieren zu wollen – tatsächlich aber passiert das genaue Gegenteil. Immer mehr Indizien deuten darauf hin, dass die Rebellen die Passagiermaschine mit einem ukrainischen Militärtransporter verwechselt und abgeschossen haben. Die US-Regierung wies Russland am Sonntag eine Mitverantwortung am Absturz zu. Es sei „ziemlich klar“, dass das gegen Flug MH17 eingesetzte Abschusssystem „von Russland in die Hände der Separatisten gelangte“, sagte US-Außenminister John Kerry. „Wir haben Bilder vom Raketenabschuss, wir wissen über die Flugbahn Bescheid“, sagte Kerry dem Sender NBC. Zudem gebe es Aufnahmen von „prahlenden“ Separatisten nach dem „Abschuss“. Das Verhalten der prorussischen Rebellen am Absturzort der Boeing nannte Kerry „grotesk“. Sie behinderten die Arbeit der Ermittler. „Betrunkene Separatisten“ würden „ohne jede Zeremonie“ Leichen aufeinanderstapeln und „Spuren verwischen“.

Die US-Geheimdienste hätten vor gut einer Woche Hinweise darauf erhalten, dass die Boden-Luft-Raketen vom den prorussischen Rebellen zur Verfügung gestellt worden seien, berichtete die „Washington Post“. Der ukrainische Geheimdienstchef Witali Najda habe berichtet, dass eine Batterie des Systems Buk mit einer fehlenden Rakete am Freitag – einen Tag nach dem Abschuss – früh die Grenze nach Russland überquert habe.