Washington zeigt sich dem geflüchteten Enthüller gegenüber unnachgiebig. Keine Ermittlungen wegen NSA-Affäre in Deutschland?

Washington/Berlin. Der Geheimdienstenthüller Edward Snowden will zurück in die USA, traut sich aber nicht. Er sei ein Patriot und möchte am liebsten wieder nach Hause, sagte der 30-Jährige in einem Interview des US-Senders NB an seinem Exilort Moskau. Allerdings erwarte ihn ein unfairer Prozess und ein Leben im Gefängnis. An eine Rückkehr sei unter diesen Umständen nicht zu denken. Laut NBC kam es bereits zur Kontaktaufnahme seiner Verteidiger mit der Regierung.

Außenminister John Kerry forderte den Ex-Mitarbeiter der National Security Agency (NSA) auf, zurückzukommen und sich der Justiz zu stellen. Der Enthüller der weltweiten NSA-Spähaktionen könne auch daheim seine Kritik darlegen, sagte der Außenamtschef. Snowden sei ein Mann, der sein Land betrogen und ihm geschadet habe. Er habe seinen Eid gebrochen, den er zu Beginn seiner Tätigkeit für die Regierung geschworen habe. „Er hat Terroristen gesagt, was sie tun können, um zu vermeiden, entdeckt zu werden.“

Snowdens Rechtsbeistand Ben Wizner, der für die Bürgerrechtsgruppe ACLU arbeitet, wies Kerrys Forderung zurück, wie die britische Zeitung „The Guardian“ berichtete. Das Anti-Spionage-Gesetz biete dem 30-Jährigen keine Chance, den Nutzen seiner Enthüllungen zu verteidigen. „Die Gesetze, unter denen Snowden angeklagt ist, unterscheiden nicht, ob Informationen im öffentlichen Interesse mit der Presse geteilt oder ob Geheimnisse an einen ausländischen Feind verkauft wurden.“ Zudem sei unklar, ob Snowden bei einer Rückkehr nicht noch mit weiteren Anklagepunkten zu rechnen habe. Dass seine Enthüllungen zu einer umfassenden Geheimdienstreform führten und einigen Journalisten hohe Auszeichnungen verschafften, wirke sich nach geltendem US-Recht nicht strafmildernd aus, sagte Wizner.

Derzeit hat der Computerexperte politisches Asyl in Russland. Sein Visum laufe am 1. August aus, und er werde eine Verlängerung beantragen, sagte er. Seine Flucht vor rund einem Jahr habe er allerdings nie in dem Land beenden wollen. Er sei eigentlich auf dem Weg nach Lateinamerika gewesen, als die USA seinen Reisepass für ungültig erklärt hätten. In seinem Heimatland wird er per Haftbefehl gesucht. Snowden betonte, keinerlei Beziehung zur russischen Regierung zu haben. Er habe niemals Kremlchef Wladimir Putin getroffen. „Ich bin kein Spion.“ Die Russen hätten auch keinen Nutzen von ihm, da er weder US-Geheimdienstmaterial mit nach Moskau genommen habe noch in irgendeiner Weise auf die Dokumente zugreifen könne. Der Whistleblower bezeichnete sich in dem Interview als „Hightech-Spion“. Er sei ausgebildeter Spion und habe für die Geheimdienste NSA und CIA verdeckt im Ausland gearbeitet.

Damit wies er Anschuldigungen seiner Kritiker zurück, die ihn lediglich als bedeutungsarmen Mitarbeiter bezeichnet hatten. Vor rund einem Jahr hatte Snowden die Spähaffäre ins Rollen gebracht, indem er massenhaft vertrauliche NSA-Dokumente an Journalisten übergab. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages will ihn als Zeugen vernehmen. Unklar ist noch, wo und wie. Die NSA und andere ausländische Nachrichtendienste sollen massenhaft Daten deutscher Bürger ausgeforscht haben. Die NSA hörte wohl auch über Jahre das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ab. Mehrere Bürgerrechtsgruppen hatten deshalb Strafanzeige beim Generalbundesanwalt erstattet.

Der will aber offenbar auf Ermittlungen in dieser Sache verzichten. Linke und Grüne forderten deshalb ein Eingreifen von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), damit Generalbundesanwalt Harald Range Ermittlungen einleitet. Range soll sich vor dem Rechtsausschuss des Bundestages erklären, möglicherweise auch vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages. Die Netzaktivisten, die wegen der Geheimdienst-Spähaktionen Strafanzeige gestellt hatten, kündigten weitere rechtliche Schritte an.

Die Anklagebehörde in Karlsruhe prüfte in den vergangenen Monaten die Vorwürfe. Die „Süddeutsche Zeitung“, WDR und NDR berichteten nun, Range wolle auf ein Ermittlungsverfahren verzichten – aus Mangel an belastbarem Material. Aus Kreisen der Bundesanwaltschaft hieß es demnach, weder Zeugen noch Dokumente stünden zur Verfügung. Ein Sprecher des Generalbundesanwalts teilte lediglich mit, es werde alsbald eine abschließende Entscheidung bekannt gegeben. Dennoch hagelte es angesichts der Medienberichte bereits Kritik von vielen Seiten.

Der Rechtsausschuss des Bundestages verlangte Aufklärung von Range. Dieser solle vor dem Ausschuss den Stand des Verfahrens und die Gründe für seine Entscheidung erläutern, sagte die Vorsitzende Renate Künast (Grüne). Das Gremium tagt das nächste Mal am kommenden Mittwoch. Möglicherweise wird Range bereits dann erscheinen. Mehrere SPD-Politiker sprachen sich dafür aus, den Generalbundesanwalt auch in den NSA-Ausschuss einzuladen. Dieses Gremium versucht seinerseits, die Spähaffäre aufzuarbeiten.

Die angebliche Begründung, es gebe „keine belastbaren Beweise“, sorgte bei der Opposition und bei Netzaktivisten für Empörung. „Wie will der Generalbundesanwalt denn das wissen, wenn es noch nicht einmal Ermittlungen gegeben hat?“, sagte die Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz. Man warte die Zustellung der Entscheidung ab und werde dann Rechtsmittel einlegen, sagte Kurz. Rena Tangens vom Verein Digitalcourage, der ebenfalls Anzeige erstattet hatte, bezeichnete den Verzicht auf ein Verfahren als „Ungeheuerlichkeit“.