US-Vizepräsident warnt Moskau vor Provokationen. Kiew nimmt „Anti-Terror-Einsatz“ wieder auf

Kiew/Wien. US-Vizepräsident Joe Biden hat sich am Dienstag demonstrativ an die Seite der Übergangsregierung in der Ukraine gestellt. Bei seinem Besuch in Kiew warnte er Russland vor weiteren Provokationen in der Krise und sagte, „mehr provokatives Verhalten wird zu höheren Kosten und größerer Isolation führen“. Moskau versuche, die Ukraine zu „zerstückeln“, sagte Biden nach Gesprächen mit Übergangspräsident Oleksander Turtschinow und Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk.

Moskau müsse seine Truppen von der ukrainischen Grenze abziehen und dürfe den Aufstand in der Ostukraine nicht weiter anheizen. „Die Zeit für Fortschritte verstreicht“, sagte Biden. Washington stehe angesichts von „erniedrigenden Drohungen“ an der Seite der Ukraine, sagte Biden dann vor ukrainischen Parlamentariern. „Sie stehen gewaltigen Problemen gegenüber, und manche würden sagen, erniedrigenden Drohungen.“

Zuvor hatten die USA Russland erneut vorgeworfen, in die Unruhen in der Ostukraine verwickelt zu sein. Das Außenministerium in Washington präsentierte mehrere Fotos als „Beweise“ dafür, dass einige der bewaffneten Kämpfer in der Ostukraine in Wahrheit russische Militärangehörige oder Offiziere des Geheimdienstes sind.

In Kramatorsk besetzten bewaffnete Kämpfer am Dienstag eine weitere Polizeistation. In Lugansk ernannten die Besetzer einen „Volksgouverneur“. Turtschinow sagte während des Treffens mit Biden, die Besetzung der Polizeistation in Kramatorsk habe „alle in Genf erreichten Vereinbarungen zunichtegemacht“. Am Abend ordnete er die Wiederaufnahme des „Anti-Terror-Einsatzes“ der Sicherheitskräfte im Osten des Landes an. Er habe diese Entscheidung getroffen, nachdem zwei Leichname mit Folterspuren entdeckt worden seien. Bei einem der beiden Opfer soll es sich um einen Kommunalpolitiker handeln.

Eine Maschine der ukrainischen Luftwaffe wurde beschossen

Unterdessen stellte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) der Regierung in Kiew vorläufig ein gutes Zeugnis aus. Der Schweizer Außenminister und derzeitige OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter lobte in einer Mitteilung „erste Schritte der ukrainischen Behörden“ zur Umsetzung der am 17. April von Russland, den USA, der Ukraine sowie der EU getroffenen Beschlüsse. Burkhalter rief Russland, die EU und die USA auf, Bemühungen der ukrainischen Behörden sowie der OSZE-Beobachtermission uneingeschränkt zu unterstützen. An der OSZE-Mission nehmen auch fünf Russen teil. Sie seien in Kiew sowie in der Millionenstadt Charkow eingesetzt, teilte die OSZE mit. Beobachter der Organisation trafen in der von prorussischen Aktivisten kontrollierten Stadt Slowjansk im Gebiet Donezk ein. Die Separatisten sicherten ihre Zusammenarbeit zu, zeigten sich allerdings skeptisch, dass die OSZE eine objektive Untersuchung vornehme.

Überschattet wurden die Gespräche durch den Beschuss einer Antonow An-30 der ukrainischen Luftwaffe bei einem Aufklärungsflug über Slowjansk. Mehrere Gewehrkugeln hätten die Maschine getroffen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Sie konnte aber sicher landen. Verletzt wurde niemand.

Vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise ist am Dienstag ein Minenräumverband der Nato von Kiel aus in Richtung Baltikum gestartet. Hauptziel des Einsatzes sei es, den baltischen Staaten den Beistand des Bündnisses zu versichern, sagte der stellvertretende Stabschef der Nato-Seestreitkräfte, Arian Minderhoud, in Kiel. Dem Verband gehören insgesamt fünf Schiffe an. Deutschland übernimmt voraussichtlich Ende Mai das Kommando. In der vergangenen Woche hatte die Nato angekündigt, ihre militärische Präsenz in Osteuropa zu verstärken.