Wieder fließt Blut in der Ostukraine, auch über die Ostertage kann von Ruhe keine Rede sein. Die Krisendiplomatie läuft auf Hochtouren. Die nächsten Tagen dürften entscheidend sein.

Kiew/Moskau. Ein blutiger Zwischenfall mit Toten und Verletzten in der Ostukraine gefährdet die Umsetzung der Genfer Friedensvereinbarung. Trotz einer angekündigten Waffenruhe über die Ostertage wurden bei einem Angriff auf einen Kontrollpunkt prorussischer Aktivisten nahe der Stadt Slawjansk mehrere Menschen getötet.

Die USA drohten Russland am Montag mit weiteren Sanktionen, falls Moskau nicht rasche Schritte zur Verwirklichung des vereinbarten Friedensfahrplans für die Ukraine unternehme. „Falls sie in den nächsten Tagen keine konkreten Schritte unternehmen, wird es Konsequenzen geben“, sagte Jen Psaki, Sprecherin des Außenamts in Washington.

Russland, die Ukraine, die USA und die EU hatten am 17. April in Genf einen Rahmenplan vereinbart, der unter anderem eine Entwaffnung der inoffiziellen Milizen vorsieht sowie eine Räumung besetzter Gebäude und Plätze in der Ukraine.

Außenminister John Kerry habe in einem Telefongespräch mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow Moskau aufgefordert, auf die Separatisten in der Ostukraine einzuwirken, damit diese illegal besetzte Gebäude räumen und Straßenkontrollen aufgeben, so Psaki. Moskau solle zudem einen Vertreter für die OSZE-Beobachtermission in der Ukraine benennen.

Lawrow appellierte seinerseits an Kerry, auf die Kiewer Regierung mäßigend einzuwirken. Kerry müsse dafür sorgen, dass die „Hitzköpfe“ in Kiew keinen blutigen Konflikt im russisch geprägten Osten und Süden der Ex-Sowjetrepublik provozierten, teilte das Außenamt nach dem Telefonat der Minister mit.

Lawrow betonte, die ukrainische Führung müsse ihre Verpflichtungen aus dem Genfer Friedensbeschluss erfüllen. Er warf Kiew erneut „Widerwillen“ vor, Gewalt seitens ultranationalistischer Gruppen wie dem Rechten Sektor zu beenden. In einem Telefonat mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betonte Lawrow nach Ministeriumsangaben die Bedeutung der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine. Es sei wichtig, das OSZE-Mandat auszuweiten, um Spannungen im Osten und Süden abzubauen.

US-Vizepräsident Joe Biden spricht am Dienstag in Kiew mit der ukrainischen Führung über mögliche Hilfen für die krisengeschüttelte Ex-Sowjetrepublik. Zudem will Biden auf eine rasche Umsetzung der Genfer Friedensbeschlüsse dringen. Die USA sehen Russland am Zuge. Russland fordert hingegen zunächst Zugeständnisse der Regierung in Kiew.

Gasschulden in Millionenhöhe

Biden will in der ukrainischen Hauptstadt unter anderem mit Übergangspräsident Alexander Turtschinow und Regierungschef Arseni Jazenjuk zusammentreffen. Dabei geht es auch um die internationalen Anstrengungen zur Stabilisierung und Stärkung der maroden ukrainischen Wirtschaft. Thema sind auch die ukrainischen Gasschulden bei Russland in Milliardenhöhe.

Die moskautreuen Kräfte sowie russische Staatsmedien sprachen von mindestens fünf Toten bei dem Zwischenfall in Slawjansk. Das Innenministerium in Kiew bestätigte drei Tote und betonte, es habe keinen offiziellen Einsatz in der Gegend gegen die bewaffneten Aktivisten gegeben. Vielmehr seien zwei Bürgergruppierungen aufeinander losgegangen. Prorussische Kräfte beherrschen die Stadt. Dort wurde die prowestliche Aktivistin und Journalistin Irma Krat von Milizionären festgenommen. Ihr wird Mitgliedschaft im ultranationalistischen Rechten Sektor vorgeworfen.

Zuvor hatten die Behörden in Kiew einen vorübergehenden Stopp ihrer „Anti-Terror“-Aktion im Gebiet Donezk während der Ostertage angekündigt. OSZE-Beobachter erreichten örtlichen Medien zufolge Slawjansk. Bundesaußenminister Steinmeier (SPD) forderte in der „Bild am Sonntag“ eine schnelle Aufstockung der OSZE-Mission und kündigte dafür deutsche Unterstützung an.

Kremlsprecher Dmitri Peskow versicherte im russischen Staatsfernsehen, dass Russland keinen Militäreinsatz in der Ukraine vorbereite. Präsident Wladimir Putin habe zwar eine Vollmacht des Parlaments, um russische Bürger notfalls zu schützen. Allerdings unternehme Russland „nichts, was von Einmarschplänen zeugen würde“.

In einer anderen Sendung hatte Peskow die vom Westen kritisierte Stationierung russischer Streitkräfte an der Grenze zum Nachbarland als Sicherheitsvorkehrung verteidigt. Der Chef des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, nannte die Lage in der Ukraine eine der größten aktuellen Gefahren für Russland.

In der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkow wählten moskautreue Aktivisten einen „Volksgouverneur“. In der Gebietshauptstadt Donezk hatten Aktivisten bereits eine Volksrepublik ausgerufen. Sie fordern eine Föderalisierung der Ukraine mit Autonomierechten für die russischsprachigen Gebiete. Die bei den internationalen Krisengesprächen in Genf vereinbarte Entwaffnung lehnen sie ab. Die Spannungen gefährden die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl.

Der nach Russland geflüchtete Präsident Viktor Janukowitsch forderte aus seinem Exil Referenden über eine Föderalisierung und die Staatsform. Die Streitkräfte rief er auf, sich aus dem Osten zurückzuziehen.