Kritiker schlagen Alarm: Die neue ukrainische Regierung ist unterwandert

Kiew. Stolz weht die schwarz-rote Fahne im Wind über dem Maidan, dem zentralen Protestplatz in Kiew. Die Flagge der ukrainischen Nationalisten ist ein Markenzeichen des Umsturzes in der Ex-Sowjetrepublik. Ohne den Einsatz ultranationalistischer und zum Teil auch rechtsradikaler Sturmtruppen wäre Präsident Viktor Janukowitsch wohl kaum gestürzt worden. Perfekt organisiert, in kleinen Trupps, griffen sie immer wieder die Sicherheitskräfte mit Brandsätzen an und wehrten die Polizei mit Knüppeln auf den Barrikaden ab.

Bekannte ukrainische Wissenschaftler schreiben allerdings in einem gemeinsamen Aufsatz über die Revolution: „Der Kiewer Euromaidan ist keine extremistische, sondern eine freiheitliche Massenbewegung zivilen Ungehorsams.“ Klar ist aber auch: Als Triebfeder der Revolution gelten paramilitärische Einheiten, allen voran der Rechte Sektor (Prawy Sektor). Und als solche „Avantgarde“ verlangt die Gruppe auch Einfluss. Schon sehen Kritiker das Kabinett von rechtsextremen Kräften unterwandert.

Der neue Regierungschef Arseni Jazenjuk ist über Zweifel erhaben. Bei seinen Treffen mit internationalen Spitzenpolitikern muss sich der prowestliche Politiker kaum rechtfertigen. Sein Kabinett sehen Experten aber äußerst kritisch. Übel stößt vor allem auf, dass die rechtspopulistische Partei Swoboda (Freiheit) vier Minister stellt. Insgesamt umfasst die neue Regierung mehr als 20 Minister – vor allem aus Jazenjuks Vaterlandspartei und von Swoboda sowie Vertreter des Maidan-Protests. Gegner werfen Swoboda-Chef Oleg Tjagnibok Antisemitismus vor. Mitte der 2000er-Jahre stand der studierte Jurist vor Gericht, nachdem er sich beleidigend über Juden geäußert hatte. Sein Verteidiger von damals, Oleg Machnizki, ist neuerdings Generalstaatsanwalt.

Zudem wurde erst im Mai 2013 eine Swoboda-Delegation von der sächsischen NPD-Fraktion empfangen. Vitali Klitschko, dessen Partei Udar (Schlag) die Koalition unterstützt, aber keine Minister stellt, hat sich bereits von Swoboda losgesagt. „Das ist keine Zusammenarbeit. Wir haben uns im Kampf gegen das Regime zusammengetan, mehr nicht“, sagte Klitschko dem „Spiegel“. Aber der Ex-Boxweltmeister muss sich selbst Fragen gefallen lassen. So hat sein Parteifreund Valentin Naliwaitschenko, nun Geheimdienstchef, einst dem Anführer des Rechten Sektors, Dmitri Jarosch, ein Geleitwort für dessen Buch „Nation und Revolution“ verfasst. Jarosch will am 25. Mai bei der Präsidentenwahl antreten.

Das spielt dem gestürzten Präsidenten Janukowitsch und auch Russland in die Hände. Schließlich begründet Moskau mit der angeblichen Angst vor Attacken von Nationalisten auf ethnische Russen die Einmischung auf der Krim. Zudem soll Jarosch den Terrorchef Doku Umarow zu Anschlägen auf russische Einheiten im Nordkaukasus aufgefordert haben. Ein Moskauer Gericht erließ gegen Jarosch in Abwesenheit Haftbefehl wegen Terrorismus.

Auch die Ernennung des neuen Sicherheitsratschefs Andrej Parubij sorgt für Stirnrunzeln. Der Kommandeur der „Selbstverteidigungskräfte des Maidan“ zählt zu den Gründungsvätern der Sozial-Nationalistischen Partei, die sich später in Swoboda umbenannte. Er leitete die paramilitärische Jugendorganisation „Patriot Ukrainy“ (Patriot der Ukraine). Die strebt unverhohlen einen reinrassigen Staat, totale Ukrainisierung und ein Migrationsverbot an.