Er gehörte zu den Gesichtern des Freiheitskampfs und setzte sich für demokratischen Wandel ein

Warschau. Ein ruhiges Rentnerleben kam Tadeusz Mazowiecki nicht in den Sinn. Noch vor wenigen Tagen arbeitete der Vordenker der friedlichen Revolution in Polen und erste nachkommunistische Ministerpräsident als Berater von Staatspräsident Bronislaw Komorowski. „Er war in vollem Besitz seiner intellektuellen Kraft“, erinnert sich sein Weggefährte Henryk Wujec. Am Montag, seinem Namenstag, starb Mazowiecki in einem Krankenhaus im Alter von 86 Jahren.

Die ruhige und bedächtige Art des liberalen Katholiken mochten nicht alle Polen. Sie kreideten ihm seine Bedächtigkeit an, mit der er das Land regierte. Eine polnische Satiresendung stellte Mazowiecki Anfang der 1990er-Jahre als eine lahme Schildkröte dar. Nachdem Komorowski ihn 2010 zu seinem Berater berief, machte er Polens Rolle in der EU zu seinem Anliegen. Anfang 2012 wandte er sich gegen eine schnelle Einführung des Euro; zunächst sollten die Euro-Länder ihre Probleme bewältigen, erst dann könne man die Polen von der Gemeinschaftswährung überzeugen. Die Einheit Europas lag Mazowiecki immer am Herzen.

Seine politische Karriere ist eng mit dem Gründer der Gewerkschaftsbewegung, Lech Walesa, verbunden. Als 1980 im Zuge des Streiks der Danziger Werftarbeiter die „Solidarnosc“ entstand, initiierte der damalige Journalist und Dozent an der illegalen „fliegenden Universität“ eine Solidaritätserklärung von Intellektuellen. Walesa machte ihn zu einem seiner wichtigsten Ratgeber. Mazowiecki wurde zudem Chefredakteur der Gewerkschaftszeitung „Tygodnik Solidarnosc“. Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Demokratiebewegung im Dezember 1981 wurde er wie andere Oppositionelle interniert. Erst 1982, einen Tag vor Weihnachten, kam er wieder frei.

Seinen größten Erfolg feierte Mazowiecki im August 1989. Auf Vorschlag Walesas wählte ihn das Parlament, der Sejm, als ersten Nicht-Kommunisten zum Ministerpräsidenten. Zuvor hatte er bei den Verhandlungen mit den Kommunisten am „runden Tisch“ halbfreie Parlamentswahlen durchgesetzt, die die Solidarnosc-Bewegung gewann. Als sich Mazowiecki 1990 zu einer Präsidentschaftskandidatur drängen ließ, scheiterte er kläglich. Er belegte nur Platz drei und kam nicht einmal in die Stichwahl, die Walesa gewann. Auch die Bischöfe hatten sich mehrheitlich hinter Walesa gestellt und gingen auf Distanz zu Mazowiecki.

Geboren am 18. April 1927 im zentralpolnischen Plock, gehörte Mazowiecki 1956 zu den Gründern des Warschauer „Klubs der katholischen Intelligenz“ und später zur katholischen Gruppe „Znak“ (Zeichen). Für diese saß er von in den 1960er-Jahren als Abgeordneter im Sejm. Nach mehreren Stationen in der katholischen Presse gründete Mazowiecki 1958 die katholische Monatszeitschrift „Wiez“ (Zusammenhalt). Als deren Chefredakteur trat er viele Jahre für einen Dialog mit anderen Konfessionen und dem Judentum ein.

Keineswegs selbstverständlich war, dass Mazowiecki zu einem Vorreiter der deutsch-polnischen Aussöhnung wurde. Während des Zweiten Weltkriegs vertrieben ihn deutsche Soldaten aus seiner Heimatstadt Plock ins sogenannte Generalgouvernement in Ostpolen. Sein Bruder kam im KZ ums Leben. Öffentlich sprach er darüber nie. Hingegen schrieb Mazowiecki im November 1989 drei Tage nach dem Fall der Berliner Mauer gemeinsam mit dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl Geschichte: Im polnischen Kreisau umarmten sich beide Regierungschefs bei einer Versöhnungsmesse.