Offenbar will sich das kommunistische Land öffnen. Deutschland soll dabei helfen, wurde dem Hamburger Abgeordneten Klimke signalisiert.

Hamburg/Pjöngjang. Die Sache mit der Plakette hat die deutschen Besucher dezent erschüttert. An der Restaurierung des Schreins in Mokchonjong hatte sich das Auswärtige Amt mit einigen Zehntausend Euro beteiligt. Und kaum wollte die kleine Delegation das Ergebnis vor Ort in Augenschein nehmen, da fehlte die versprochene Aufschrift, dass der Wiederaufbau mit Geldern aus Berlin finanziert wurde. Ein Hausmeister der Anlage klebte noch schnell ein Schild an. So ist das im Reich von Kim Jong-un: Viel Gerede, vieles ist Attrappen, wenige Versprechen werden eingehalten.

Doch das sollte der einzige Rückfall in alte Zeiten sein, den der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jürgen Klimke (CDU) bei seinem Besuch im kommunistischen Nordkorea erlebte. Klimke bereiste schon mehrfach das abgeschottete Land, sprach auf kleinem Dienstweg mit Nordkoreanern, während sich der alte oder jetzt der junge Kim mit den Weltenlenkern in den USA, China und Russland um atomare Bewaffnung und Sanktionen der Uno stritt. Der Unions-Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und ausgewiesene Menschenrechtsexperte zeigte sich im Gespräch mit dem Abendblatt baff. „Man glaubt, dass die Gesprächssituation angespannt ist wegen der Raketentests und der Sanktionen. Normalerweise wird einem stundenlang die Sicht der Nordkoreaner erklärt. Diesmal war es anders. Kurze Erklärungen und lange Diskussionen.“

Klimke sieht einen Wechsel in der atmosphärischen Stimmung im Kontakt zwischen den Ministern und Parteikadern und ihren westlichen Gästen — und damit im gesamten Verhältnis von Pjöngjang zur freien Welt. „Nach 15 Minuten Sprechblasen haben wir über Presse- und Religionsfreiheit gesprochen, danach war die Wirtschaft das bestimmende Thema“, so Klimke.

Der junge Diktator Kim hat einen Parteibeschluss fassen lassen, der sich auf zwei Kernsätze reduzieren lässt: die Wirtschaft fördern und die Atomkraft voranbringen. Klimke konnte seinen Gastgebern erläutern, dass der Westen darin einen Widerspruch sieht. „Wenn die Führung die Atomenergie und möglicherweise die atomare Bewaffnung fördert, investiert doch kein Unternehmen mehr in Nordkorea.“

Die Sicherheitslage ist nach diversen Raketentests und wegen der kriegerischen Rhetorik Kims dramatisch. Die USA haben gemeinsam mit Südkorea Manöver veranstaltet. Selbst China zeigt sich nervös. Die gemeinsame Wirtschaftszone mit dem Süden, die Nordkorea jeden Monat Millionen einbringt, wurde geschlossen.

Klimkes Gesprächspartner regten sogar an, in jeder nordkoreanischen Provinz eine Sonderwirtschaftszone neu zu errichten. Dabei erhofft sich das Land offenbar Hilfen aus Berlin. Beim Ausbau alternativer Energien, in der Öko-Landwirtschaft und im Hightech-Bereich sollen deutsche Experten Unterstützung leisten. Kim will aber offenbar noch mehr: Schutz vor dem Großen Bruder. Klimke sagt, bei den Gesprächen sei ihm signalisiert worden, dass Peking auf die Rohstoffe Nordkoreas schiele, vor allem auf die Seltenen Erden. „China beutet unser Land aus“, habe man ihm gegenüber beklagt.

Die Nordkoreaner haben neben ihren Befürchtungen auch ihre Visionen geschildert. Und da war Klimke erneut überrascht. Recht konkret ging es um die Förderung des Tourismus, worin Klimke Experte ist. Dass sich überhaupt Touristen aus aller Welt nach Nordkorea verirren könnten, klingt gewöhnungsbedürftig. Doch Kims Leute sprachen mit dem deutschen Abgeordneten bereits über Kreuzfahrtschiffe, die zunächst auch als schwimmende Hotels dienen könnten, bis ausreichend Touristen-Herbergen gebaut seien. „Da tut sich was“, ist Klimke überzeugt.

Noch allerdings leidet die Landbevölkerung Hunger. Im Schatten des politischen Säbelrasselns ist die Not groß: Gerhard Uhrmacher, Programm-Manager der Welthungerhilfe für Nordkorea, sagt: „Die Bewohner Nordkoreas haben gänzlich andere Sorgen: Genug zu essen zu bekommen ist das größte Problem.“ Große Teile des Landes sind hügelig oder bergig. Landwirtschaft mit der Technik von anno dunnemals ist hier schwierig. Der Ertrag der Ernte bestimmt über Leben und Tod. Klimke glaubt, dass der Norden eine Annäherung an den Süden stärker wünscht als Seoul. Nicht dass Pjöngjang sofort eine Wiedervereinigung wolle. Aber im Norden herrscht die Vorstellung, dass man analog zu Myanmar einen sanften Wandel und mehr Offenheit erreichen könne. Dieselbe Regierung, sagt Klimke, „könnte sich von böse zu gut wandeln“. Und in einem würden die Nordkoreaner am liebsten sofort ihren asiatischen Nachbarn nacheifern. Sie wollen ihre Fußballtalente gerne in der Bundesliga ausbilden lassen.