Im Osten vor allem Junge, im Westen eher Ältere mit radikalen Ansichten

Leipzig/Berlin. Ausländerfeindlichkeit ist nach einer Langzeitstudie der Universität Leipzig eine bundesweit verbreitete Einstellung. Während Rechtsextremismus in Ostdeutschland vor allem ein Jugendproblem sei, seien in Westdeutschland die älteren Jahrgänge negativ gegenüber Ausländern eingestellt. Die Umfrage ergab, dass im Osten "im langjährigen Mittel" fast 32 Prozent der Befragten ausländerfeindlichen Aussagen zustimmen, im Westen sind es gut 23 Prozent. Für die repräsentative Studie wurden in den Jahren 2002 bis 2012 rund 17.000 Deutsche befragt, wie die Uni am Montag mitteilte.

Dabei zeigte sich, dass vor allem Menschen, die keinen persönlichen Kontakt zu Migranten im Arbeits- oder Privatleben haben, ausländerfeindlich eingestellt sind. Rund 75 Prozent der Westdeutschen, aber nur gut 36 Prozent der Ostdeutschen haben nach der Studie in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz Kontakt zu Nichtdeutschen. Privat kommen 58 Prozent der Westdeutschen und 24 Prozent der Ostdeutschen im Familien- und Freundeskreis mit Menschen mit ausländischen Wurzeln zusammen.

Zur Erklärung führen die Wissenschaftler an, dass beide Gruppen in ihrer Jugend den Zusammenbruch eines autoritären Systems - Kaiserreich, NS-Regime und DDR - erlebt hätten. Dies würde zu Unsicherheit und Aggressionen gegenüber Andersartigen führen. Außerdem fanden die Wissenschaftler heraus, dass auch antisemitische Einstellungen in Ost und West ungleich verteilt sind. So gab in Westdeutschland jeder zehnte Befragte an, Vorbehalte gegenüber Juden zu haben. Im Osten war es jeder 16. Befragte.

Der Zentralrat der Muslime hat als Reaktion auf rechtsextremistische Einstellungen in der Bevölkerung die Einführung des Straftatbestandes der Islamfeindlichkeit gefordert. Dies wäre "ein Stoppzeichen" der Gesellschaft, sagte der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel". Rechtsextremistisches Denken habe "viel tiefere Wurzeln in der Gesellschaft, als viele wahrhaben wollen. Und die hat es nicht erst gestern geschlagen, sondern vor Jahrzehnten." Damit reagierte Mazyek vor allem auf neue Angaben über die Größe des Umfelds des rechtsextremen Mordtrios "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU). Dass inzwischen 129 Personen zum NSU-Umfeld gezählt würden, zeige, dass man es mit einer Bewegung zu tun habe. Deutschland müsse daraus jetzt "anders als nach Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Solingen oder auch nach dem Mord an Marwa el-Sherbini Konsequenzen ziehen und sehr offen über strukturellen Rassismus sprechen", forderte Mazyek. Nur dann könne man ihn auch bekämpfen.