Die Erfahrungen aus dem Arabischen Frühling machen autoritäre Herrscher nervös, wie eine Studie von Freedom House nun belegt.

Brüssel. Die Hoffnungen, die viele mit dem Arabischen Frühling verbunden haben, sind enttäuscht worden. In Tunesien und Ägypten ist das Aufblühen demokratischer Knospen unterbrochen durch den Einzug eines Winters, der die pluralistischen Kräfte in der Region zu lähmen scheint. Zu diesem Schluss kommt der jährliche Bericht der Nichtregierungsorganisation Freedom House, der die Lage der Freiheitsrechte in der Welt untersucht.

Anhand von unterschiedlichen Kategorien wie beispielsweise dem demokratischen Ablauf von Wahlen oder der Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung beurteilen Länderexperten die Entwicklung einzelner Staaten. Sie unterscheiden schließlich in einer Bilanz und vergeben drei unterschiedliche Siegel. So kann ein Land frei sein, bezogen auf den politischen Wettbewerb, die Handlungsspielräume der Medien oder der Gewährleistung von Bürgerrechten. Oder es ist teilweise frei, wenn die politischen Rechte oder die pluralistischen Kräfte mit Einschränkungen leben müssen. Als unfrei gelten Staaten laut den Autoren, wenn den Bürgern dort grundlegende Freiheitsrechte verwehrt bleiben.

Die Entwicklung in Nordafrika und dem Nahen Osten kennt eine deutliche Richtung, so die Studie: Im Vergleich zu 2012 seien mehr Länder bezüglich der Gewährung von Freiheitsrechten zurückgefallen, als dass sie sich positiv entwickelt hätten. "Die Errungenschaften in der Region waren fragil", konstatiert Arch Puddington, der Autor der Studie. Mit dem Rücktritt von Ministerpräsident Hamadi Dschebali in Tunesien, dem Ursprungsland des Arabischen Frühlings, hat sich die politische Krise in diesem Land dramatisch verschärft. Entscheidend für die weitere Entwicklung in der gesamten Region werde es vor allem sein, wie die an Einfluss gewinnenden Muslimbrüder auf die Forderungen ihrer Bevölkerungen reagieren.

Dabei scheint ein interessanter Trend zu sein, wie Regime in anderen Ländern der Welt auf die Entwicklungen in Nordafrika reagieren. Der Freedom-House-Bericht erkennt deutliche Bemühungen in Russland, dem Iran und Venezuela, jene Kräfte zu schwächen, die ihrer Macht gefährlich werden könnten. So kommt die Studie zu dem Schluss, dass im Verlauf der vergangenen fünf Jahre vor allem zivilgesellschaftliche Gruppen, die Medien und die Verfechter eines freien Rechtsstaats ins Visier jener Regime gerückt sind. Während sich dort die Ergebnisse für freie Wahlen und politischen Pluralismus verbessert haben, seien insbesondere die Meinungs- und Versammlungsfreiheit weiter eingeschränkt worden. "Was mir in Russland große Sorge bereitet, ist das Vorgehen der Justiz gegen einzelne Bürger wie beispielsweise den Anwalt Sergej Magnitski", sagte der liberale Fraktionschef Guy Verhofstadt bei der Vorstellung der Studie in Brüssel. Der russische Anwalt Magnitski hatte Fälle von ausufernder Korruption im russischen Staatsapparat angeprangert - und war schließlich tot aufgefunden worden.

Die Autoren der Studie verweisen im Falle Russlands, Venezuelas und dem Iran auf das immer strengere Vorgehen gegen unliebsame Nichtregierungsorganisationen (NGOs), deren Aktivitäten als ungebührliche Einmischung in die Politik empfunden würden. Besonders hervorgehoben wird indes das Beispiel Russland. So bemängeln die Autoren: Die "düsteren Bedingungen haben sich dort weiter verschlechtert, seit Wladimir Putin wieder Präsident ist." Putin habe die ohnehin marginalisierte Opposition im vergangenen Jahr weiter an den Rand gedrängt. Außerdem sei der Präsident für eine Reihe von Gesetzen verantwortlich, durch die die Möglichkeiten für gesellschaftlichen Widerstand eingeschränkt würden.

Als Beispiel nennt der Bericht hohe Strafgelder, die bei unangekündigten Demonstrationen drohen. Außerdem sei es NGOs in Russland schwerer gemacht worden, notwendige Gelder für ihre Arbeit einzuwerben. Darüber hinaus habe die russische Regierung die Zensur des Internets verschärft - eine folgenschwere Entwicklung für die Möglichkeiten des freien Meinungsaustauschs in einem Land der Größe Russlands, so die Autoren.

Ähnliche besorgniserregende Entwicklungen macht Freedom House in China aus. So seien die Hoffnungen auf bedeutsame politische Reformen zerstört, seit die neue kommunistische Führung an der Macht sei. Bereits die ersten Monate im Amt hätten gezeigt, dass die Regierung keineswegs eine Liberalisierung anstrebe. Als einen deutlichen Beleg dafür führen die Autoren der Studie eine Verschärfung der Zensur im Internet an, sowie verstärkte Kontrollen der Medien.

Kritisch erwähnt der Freedom-House-Bericht außerdem die Türkei. Während Premierminister Recep Erdogan zu Beginn seiner Amtszeit wichtige bürgerrechtliche Reformen angestoßen und sich für einen Ausbau der Minderheitenrechte eingesetzt habe, sei von jenen Liberalisierungsbemühungen mittlerweile wenig übrig geblieben. In jüngerer Zeit habe die Regierung Hunderte Journalisten, Akademiker und Oppositionelle inhaftiert, prangert die Studie an. "Die Türkei führt aktuell im weltweiten Vergleich, was die Zahl der Journalisten hinter Gittern anbelangt", verweist Autor Puddington auf einen traurigen Rekord.

Dabei kennt die Studie keineswegs nur Verlierer. Als ein positives Beispiel für eine konfliktreiche Region wird Libyen angeführt. Seit es sich erfolgreich von der Herrschaft Muammar al-Gaddafis befreit hat, zeige die Entwicklung im Bereich der Freiheitsrechte nach oben. Nachdem das Land jahrzehntelang unter den "schlimmsten der schlimmen Tyrannen" rangierte, wie die Autoren es beschreiben, setzte es 2012 zu einer liberalen Aufholjagd an. Die Durchsetzung politischer Bürgerrechte brachte dem Land als einem der wenigen eine positive Statusveränderung ein: Von "nicht frei" ist es mittlerweile in der Bewertung zu einem "teilweise freien" Staat aufgestiegen.