Zur angespannten Stimmung am zweiten Jahrestag der Revolution kommt das Todesurteil gegen Beteiligte des eskalierten Fußballspiels.

Kairo. Die Zahl der Toten bei den Ausschreitungen nach den verhängten Todesurteilen wegen der Fußballkrawalle von Port Said steigt immer weiter. Wie aus dem Sicherheitsapparat verlautete, stieg die Zahl der Getöteten am Samstagnachmittag auf 16. Darüber hinaus wurden Hunderte verletzt. Präsident Mohammed Mursi sagte daraufhin seine geplante Reise nach Äthiopien ab und berief stattdessen ein Treffen mit hochrangigen Generälen ein.

Zuvor hatte ein Gericht 21 der 73 Angeklagten im Zusammenhang mit den blutigen Fußballkrawallen vom vergangenen Februar zum Tode verurteilt. Das Urteil für die übrigen Beschuldigten soll am 9. März verkündet werden. Nach dem Richterspruch randalierten wütende Protestierende vor einem Gefängnis der Hafenstadt Port Said und forderten die Freilassung der Häftlinge. Dabei wurden zwei Polizisten erschossen. Die Sicherheitskräfte setzten ihrerseits scharfe Munition, Gummigeschosse und Tränengas ein, wie aus ihren Reihen verlautete. Dabei wurden 14 weitere Menschen getötet.

Vor einem Jahr waren nach einem Spiel in der Stadt Port Said Fans der Vereine Al-Ahli und Al-Masri aufeinander losgegangen.Mindestens 74 Menschen waren ums Leben gekommen und Hunderte verletzt worden. In den darauf folgenden Tagen wurden bei Unruhen im ganzen Land weitere Menschen getötet.

Die Urteile kamen nach einer Nacht der Krawalle, in der ebenfalls bereits Menschen gestorben waren: Die Ägypter gingen zum Jahrestag der Revolution auf die Straße. Als die Gewalt in Ägypten erneut eskaliert, ermahnt eine der prominentesten Bloggerinnen des Landes die Randalierer: „Es ist schon genug Blut geflossen.“ Ägypter müssten zusammenhalten. Die 27-jährige Mitbegründerin der Jugendbewegung 6. April, Asmaa Mahfus, hatte im Januar 2011 mit einem Internet-Aufruf für Freiheit maßgeblich zu den ersten Massenprotesten gegen den Langzeitpräsidenten Husni Mubarak mobilisiert, die schließlich zu seinem Sturz führten. Anders als vor zwei Jahren aber verhallt ihr Aufruf heute ungehört. Bis zum frühen Nachmittag sterben 22 Menschen in der Stadt Port Said.

Zwei Jahre nach dem Sturz Husni Mubaraks steckt Ägypten in einer verfahrenen Situation. Die Gesellschaft des nordafrikanischen Landes ist zutiefst gespalten: Islamisten gegen Linke, Liberale und Christen; Intellektuelle und Arbeiter aus dem Norden gegen Bauern und Beduinen aus dem Süden; Anhänger des alten Systems gegen die neuen Machthaber. Und jede Gruppe hat unterschiedliche Visionen für das neue Ägypten.

Touristen und Investoren bleiben derweil fern, die Wirtschaft befindet sich im freien Fall, das ägyptische Pfund im Keller. Die Armut wächst, und ständig gibt es wegen der zerfallenden Infrastruktur schreckliche Todesmeldungen – Unglücke auf den kaputten Straßen, Schienen und in Wohngebieten wegen einstürzender Häuser.

Unsicherheit und Unzufriedenheit der Massen entladen sich regelmäßig in neuer Gewalt. So endete am Freitag der zweite Jahrestag des Aufstands gegen Mubarak in blutigen Protesten gegen seinen Nachfolger, den islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi. Und so konnte ein Fußballspiel zum Schauplatz eines brutalen Massakers werden, das ebenso grausame Gerichtsurteile nach sich zieht. Während in Kairo die „Ultras“ von Al-Ahli den Richterspruch feiern, melden die Behörden aus Port Said fast minütlich weitere Tote und Verletzte.

Asmaa Mahfus sendet auf Twitter weitere Appelle und ermahnt ihre Landsleute, nach vorne zu blicken. „Lasst uns jetzt aufhören, an das bereits vergossene Blut zu denken“, schreibt sie. „Lasst uns darüber nachdenken, wie wir das Blutvergießen stoppen können.“