Radikale Islamisten wollen das westafrikanische Mali erobern. Frankreichs Armee versucht das zu verhindern. Eine Reportage aus der Hauptstadt Bamako

Der Taxifahrer ist wütend. "Die Islamisten sind völlig verrückt." Einer von ihnen habe in Bamako versucht, einen Soldaten mit der Machete zu ermorden. "Genau hier", sagt der Taxifahrer und deutet mit der Hand zum Straßenrand. "Weg mit ihnen!", ruft eine Gruppe von Männern, die an einem Kiosk die Schlagzeilen der Tageszeitungen lesen. Am Platz der Unabhängigkeit werden französische Nationalflaggen verkauft. In der malischen Hauptstadt wird schnell deutlich, wem die Sympathien hier gehören. Vor einem Jahr wäre dies noch undenkbar gewesen. Niemand hätte die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, von der man 1960 unabhängig wurde, bejubelt. Aber nun ist alles ganz anders, seit radikale Islamisten den Norden des Landes besetzt halten und vergangene Woche versuchten, in Richtung Bamako vorzustoßen.

Nun ist sogar eine militärische Intervention im eigenen Land willkommen. Paris will die Zahl von derzeit 750 Soldaten auf 2500 aufstocken. Binnen einer Woche sollen 3300 Mann aus mehreren afrikanischen Ländern hinzukommen.

Am vergangenen Freitag begann Frankreich, Stellungen der Islamisten, die keinen Hehl aus ihrer Verbundenheit mit al-Qaida machen, zu bombardieren. "Wir wollen doch keine Scharia", sagt Amadu Kulabali, der seit 13 Jahren als Busfahrer in der Hauptstadt arbeitet.

Die Rebellen nennen sich Ansar al-Dine (Verteidiger des Glaubens), Bewegung für Einzigartigkeit und Dschihad in Westafrika (Mujwa) oder al-Qaida im Islamischen Maghreb (Aqim). Sie legen die Scharia sehr streng aus, zu ihren Strafmaßnahmen gehören auch Schläge, das Abhacken von Händen und Steinigungen.

"Wir hier in Mali sind normale Muslime", sagt Kulabali. "Mit so einem Horror wollen wir nichts zu tun haben." Die anderen Busfahrer an der Bosula-Busstation nicken zustimmend. Viel zu tun haben sie zurzeit nicht. Ihre Tour führt normalerweise nach Niono. Aber nur wenige Kilometer davon entfernt liegt Diabali. Ein kleiner Ort, der am Montag von Islamisten eingenommen wurde. Kulabali hat dort Familie und ist offensichtlich sehr besorgt, nachdem er seit zwei Tagen kein Lebenszeichen mehr von ihr gehört hat. "Die Stadt ist abgeriegelt", sagt Kulabali. "Die Soldaten lassen niemanden rein und die Islamisten niemanden raus." Bekannte von ihm seien zu Fuß aus Diabali geflüchtet. "Mitten in der Nacht, um von den Rebellen nicht entdeckt zu werden, die sie nicht gehen lassen wollen." Er hofft, dass mithilfe Frankreichs der Albtraum schnell zu Ende geht. "Wir müssen auch wieder Geld verdienen, denn jetzt will kein Mensch mehr in diese Gegend fahren."

In Niono sammelt sich derzeit das malische Militär, um eine Offensive auf Diabali vorzubereiten, das nur 400 Kilometer von der Hauptstadt Bamako entfernt ist. "Die Franzosen bombardieren dort seit gestern", versichert ein malischer Kommandeur aus Niono, der seinen Namen nicht nennen will. "Wir sind bald einsatzbereit, um vorzustoßen."

Die Einnahme von Diabali durch die Islamisten kam völlig überraschend. Nach dem Bombardement durch die französische Luftwaffe sollen sie die Städte Gao und Timbuktu verlassen haben und sind nun im Westen Malis aufgetaucht. In Gao berichteten Bewohner, zwei große Lager der Islamisten seien zerstört worden. "Die Führer von Mujwa sind verschwunden, aber einige junge Kämpfer sind in der Stadt geblieben", berichtete ein Mann aus Gao per Telefon. "Die Islamisten haben sich in kleinere Dörfer in der Umgebung zurückgezogen."

In Timbuktu soll die Lage nicht anders sein. Mittlerweile seien die Religionskämpfer mit Motorrädern und nicht mehr mit ihren Pick-up-Trucks unterwegs, heißt es, aus Angst vor den französischen Kampfflugzeugen. "Die Islamisten sind auf der Flucht", erklärt Oberst Kone Diarra in seinem Büro des Verteidigungsministeriums in Bamako. "Auf der ganzen Linie", ergänzt er zuversichtlich. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir sie ganz aus dem Land vertrieben haben."

Auf einem großen Fernseher läuft der Nachrichtensender France 24, natürlich mit dem "Krieg in Mali" als Schwerpunkt. "Die malische Armee wird Diabali sehr bald angreifen", versichert der Oberst. Das Problem sei nur die Bevölkerung. "Wir können die Einwohner der Stadt nicht gefährden." Sie würden von den Islamisten als Geiseln und menschliche Schutzschilde benutzt. "Das beweist doch einmal mehr, dass wir es mit waschechten Terroristen zu tun haben." Oberst Diarra gehört zu den Anhängern von Amadou Sanogo. Der Hauptmann führte im März vergangenen Jahres den Militärputsch an, der zum Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Amadou Toumani Touré führte. Das Militär fühlte sich im Kampf gegen die Tuareg als Kanonenfutter verheizt.

"Wir kämpfen gegen Terroristen, die eine Guerillataktik anwenden", erläutert Oberst Diarra. "Aber diese Terroristen sind bestens ausgerüstet."

Seiner Überzeugung nach stammen alle Waffen aus Libyen. Während des Bürgerkriegs, der mit dem Tod des Diktators Muammar al-Gaddafi endete, waren dort monatelang riesige Waffenlager völlig unbewacht. Jeder konnte sich nehmen, was er wollte. Tonnenweise wurden dort Waffen aller Art abtransportiert. Sanda Ould Boumana, der Sprecher von Ansar al-Dine, hatte sich am vergangenen Wochenende damit gebrüstet, man sei bestens bewaffnet. "Wir haben auch Luftabwehrraketen, die man von der Schulter aus abschießen kann."

Sogenannte Manpads sind die bevorzugten Waffen von Terroristen. Damit kann man Jagdflugzeuge, aber auch normale Passagiermaschinen vom Himmel holen.

Spezialisten der französischen Armee bestätigten, dass man von der militärischen Ausrüstung der Islamisten überrascht worden sei. Für Oberst Diarra sind die Waffen nur eine Sache. "Damit alleine kann man keinen Krieg gewinnen." Man brauche sehr viel Geld, ausreichend Benzin und moderne Kommunikationsgeräte. Für ihn steht fest, dass es ohne ausländische Hilfe schnell vorbei wäre mit den islamistischen Rebellen. "Von wem bekommen sie die Satellitentelefone der Marke Thuraya und ihre Verbindung zum Internet?" Namen von Ländern will er unter keinen Umständen nennen, und auch mit Spekulationen will er nicht in Verbindung gebracht werden.

Aber in Bamako wird überall gemunkelt, Algerien unterstütze die Islamisten.

Alle Führer der drei Rebellengruppen hatten tatsächlich in ihrer langjährigen Terroristenkarriere irgendwann enge Kontakte zum algerischen Geheimdienst (DRS). Ob das heute noch so ist, weiß man nicht. Sicher aber ist, ohne die logistische Hilfe eines Staates könnten die Islamistengruppen sich in diesem riesigen Wüstengebiet, das doppelt so groß wie Deutschland ist, nicht lange halten. Allein das Benzin für mehrere Hundert Geländewagen oder Generatoren auf geheime Weise zu besorgen erfordert eine organisatorische Meisterleistung. In Verdacht steht auch Katar. Das kleine Golf-Emirat soll die Kommunikationstechnik liefern und vor allen Dingen finanzielle Unterstützung geben. Direkte Beweise dafür gibt es allerdings nicht. Aber in Libyen und Syrien unterstützt Katar nachweislich radikale Islamistenorganisationen.

Zum Schluss kommt Oberst Diarra doch noch einmal auf die Waffen der Rebellen zu sprechen. "Wie kommt das ganze Kriegsgerät aus Libyen zu uns nach Mali?", fragt er rhetorisch und mit einem verschmitzten Gesicht. "Wir haben doch gar keine Grenze mit Libyen!" Ein Drittstaat müsse den Transport durch sein Hoheitsgebiet tolerieren. Seine Empfehlung: "Darüber sollte man sich einmal Gedanken machen!"