Insbesondere Großbritannien hatte die Bemühungen um eine Einigung erschwert. Damit wird ein weiteres Spitzentreffen nötig.

Brüssel. Die Kanzlerin lächelte, Frankreichs Präsident deutete Küsschen an, der britische Premierminister schritt beschwingt einher, und der EU-Ratspräsident sah ernst aus – wie immer. Die Europäische Union war gerade in ihre nächste schwere Krise gestürzt, ohne dass dies irgendjemanden der direkt Beteiligten verwunderte. „Das ist ja nichts Ungewöhnliches“, sagte Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker am Freitag in Brüssel. Gescheiterte Gipfel gehören zur Dramaturgie des Ringens um die EU-Finanzplanung.

Niemand weiß das besser als Juncker, der 2005 selbst einen Gipfel leitete, bei dem die Finanzplanung für die Jahre 2007 bis 2013 fast beschlossen worden wäre. Wenn nicht der britische Premierminister Tony Blair in letzter Minute sein Veto eingelegt hätte – um sechs Monate später, nun selbst Ratsvorsitzender, einem praktisch identischen Beschluss zuzustimmen.

Diesmal trifft das vorläufige Scheitern des Gipfels über die Finanzplanung von 2014 bis 2020 die Europäische Union allerdings härter. Eben sonnte sie sich noch im Glanz des Friedensnobelpreises, da ging schon das erbitterte Hauen und Stechen um 1010 Milliarden Euro los – oder etwas mehr oder etwas weniger. Vor allem aber verlängert sich eine Liste höchst unangenehmer Probleme. Dahinter stehen nicht nur Machtfragen, sondern auch grundsätzliche Meinungsunterschiede über Sinn und Zweck der EU.

Erst am Mittwoch hatte sich die Eurogruppe nicht auf die Freigabe von mindestens 31,5 Milliarden Euro Finanzhilfen für Griechenland einigen können, weil noch nicht alle technischen Fragen geklärt seien. Eine Woche zuvor war der Versuch der 27 EU-Regierungen, sich mit dem Europaparlament auf den Haushalt 2013 zu einigen, geplatzt: Die Abgeordneten fanden die Position der Regierungen nicht einmal verhandlungsfähig.

Und dass die Regierungschefs den Luxemburger Yves Mersch nun beim Gipfel zum Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank beförderten, lag daran, dass zuvor der Versuch gescheitert war, die Besetzung in einem schriftlichen Verfahren zwischen den Hauptstädten zu entscheiden.

In der Finanzkrise liegen die Nerven blank, es geht um Verteilungskonflikte. Die werden unter den Augen der nationalen Wähler ausgetragen, denen in vielen Ländern schmerzhafte Opfer abverlangt werden. Dabei geht es nicht einmal um die ganz großen Fragen: Dass Deutschland der mit Abstand größte Nettozahler der EU ist und auch bleiben wird, wurde auch von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel nicht infrage gestellt. Schließlich gehört Deutschland zu jenen Ländern, die besonders stark von dem großen europäischen Markt mit 500 Millionen Bürgern profitieren.

„Wir erwarten, dass Sie heute einen vernünftigen Kompromiss aushandeln“, hatte der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), die Gipfelrunde aufgefordert. Die Abgeordneten reden mit den Regierungschefs in diesen Wochen so selbstbewusst wie nie zuvor: Ohne ihre Zustimmung bleiben die Beschlüsse der Regierungen in Budgetfragen völlig belanglos.

Genüsslich erinnerte Schulz die Gipfelrunde daran, dass die nationalen Haushalte insgesamt 50-mal so groß sind wie der EU-Haushalt. Dass sie in zwölf Jahren um 62 Prozent wuchsen, der EU-Haushalt nur um 37 Prozent. Dass jenes Geld, das in ärmere Staaten transferiert wird, zu einem großen Teil wieder bei Unternehmen der Nettozahler lande. Und, so fügte er süffisant hinzu, Merkel wisse ja sicherlich selbst am besten, dass der Ausbau des Breitbandnetzes in Mecklenburg-Vorpommern mit EU-Mitteln ermöglicht worden sei.

Die beiden EU-Institutionen Parlament und Rat steuern auf einen Konflikt von großer Härte zu – wenn sich die Regierungen nur einigen könnten. Aber dem stehen nationale Interessen entgegen. Erst wenn die Regierungen untereinander einen Kompromiss gefunden haben, können sie den Kampf mit den EU-Abgeordneten aufnehmen.