Briten bleiben hart, können aber kaum mit einem Entgegenkommen rechnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel rechnet mit einem Folgegipfel.

Brüssel. Wenn es noch leise Hoffnungen auf einen baldigen Durchbruch im EU-Haushaltsstreit gab, dann sind sie am Freitagmorgen praktisch zerstoben. Großbritanniens Radikalforderung nach drastischen Ausgabenkürzungen schienen auch am zweiten Brüsseler Gipfeltag unvereinbar mit den Vorstellungen der anderen Mitgliedstaaten. Noch vor Beginn des Treffens mit ihren europäischen Kollegen deutete Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine Vertagung der Gespräche an: „Ich glaube, dass wir auch in der Runde jetzt noch nicht da sein werden, wo wir hin müssen: nämlich zu einem einstimmigen Beschluss.“

Im Gegenteil, von einer solchen Einigung seien die Staats- und Regierungschefs nach wie vor weit entfernt. „Die Positionen sind noch ein ganzes Stück auseinander“, sagte Merkel. „Und wenn wir noch eine zweite Etappe brauchen, dann werden wir uns dafür die Zeit nehmen.“ Falls es am Freitag tatsächlich zu keinem Beschluss mehr komme, sei dies allerdings auch „nicht dramatisch“.

Unwahrscheinlich ist das nicht, denn der britische Premierminister David Cameron lehnte auch den jüngsten Budgetansatz von Gipfelchef Herman Van Rompuy rundweg ab. „Die Fortschritte bei der Ausgabenkürzung lassen weiter auf sich warten“, schimpfte er und fügte hinzu: „Es geht hier nicht um Flickschusterei und darum, Geld von einem Teil des Budgets ins andere zu verschieben.“ Stattdessen müsse die großzügige Verwendung von Steuergeldern ein Ende nehmen. „Das passiert bei uns zuhause, und das muss auch hier passieren.“

Rompuy brüskiert sparwütige Briten

Tatsächlich ist Van Rompuys „Kompromissvorschlag“ aus britischer Sicht ein Affront. Sein Entwurf sieht auch weiterhin einen Gemeinschaftsetat von 1,01 Billionen Euro vor, lediglich innerhalb der verschiedenen Haushaltskategorien schichtete der Belgier einige Milliarden um. Um Frankreich und Polen zu besänftigen, sollen nun acht Milliarden Euro mehr in die europäische Landwirtschaft fließen und zusätzliche elf Milliarden Euro in den Kohäsionsfonds zugunsten strukturschwacher Länder. Kompensiert werden sollen die Zusatzausgaben vor allem durch Kürzungen bei der Infrastruktur.

Großbritannien hingegen will die Gesamtausgaben nochmals um 50 Milliarden senken und darüber hinaus den eigenen Rabatt auf Beiträge zum EU-Topf mit allen Mitteln verteidigen. Da der europäische Haushalt einstimmig verabschiedet werden muss und jedes andere Land ein Veto-Recht besitzt, wird Cameron kaum plötzlich einlenken - zumal er zuhause unter dem Druck seiner eigenen Partei steht, für die jeder nach Europa fließende Euro einer zu viel ist.

Hürde im EU-Parlament

Andererseits müsste selbst nach einem etwaigen Konsens das gesamte Zahlenwerk noch vom Europäischen Parlament abgenickt werden. Und die Abgeordneten dringen auf Investitionen für mehr Wachstum und Arbeitsplätze, wollen die Konjunktur ankurbeln und sozial Schwachen helfen, das notwendige Geld für Forschung und Bildung bereitstellen. Weitere Abstriche wären ihnen kaum zu vermitteln. Parlamentspräsident Martin Schulz gab bereits zu verstehen, dass jeder Vorschlag unterhalb der symbolischen Billionenmarke im Plenum grandios scheitern werde.

Zunächst müsste allerdings eine Einigung der Mitgliedstaaten her, und davon ist man auch nach Ansicht des österreichischen Kanzlers Werner Faymann weiterhin ordentlich entfernt. „Ich sehe noch keine Zustimmung der 27“, sagte der Sozialdemokrat vor Beginn der zweiten Verhandlungsrunde am Freitag. Der Etat für die Jahre 2014 bis 2020 sei weiter hart umkämpft, ein Kompromiss kaum in Sicht. „Eine meiner größten Sorgen ist, dass wir überhaupt etwas zustande bringen, das sieben Jahre hält“, gab sich Faymann pessimistisch.

Kommt es zu keiner Einigung, droht die gesamte Finanzplanung der EU ins Stocken zu geraten. Die derzeitige Haushaltsperiode läuft 2013 aus. Ohne einen neuen mehrjährigen Finanzrahmen müsste der Etat jedes Jahr aufs Neue nach dem Mehrheitsprinzip verabschiedet werden. Langfristige Großvorhaben wären so kaum umzusetzen. Und Großbritannien käme ohne Veto-Chance finanziell wohl noch schlechter davon.