Staatsbankrott abgewendet, aber Hunderte Randalierer auf den Straßen. Scharfe Kritik von Kanzlerin Merkel an Verantwortlichen in Athen

Athen. Griechenland hat mit der Billigung eines weiteren Sparpakets erneut den Staatsbankrott abgewendet - doch die angeschlagene Regierung in Athen steht bereits vor der nächsten Hürde. Am Sonntag muss sie ihren Haushalt durchs Parlament bringen. Denn nur einen Tag später tagt die Euro-Gruppe, um zu entscheiden, wie es mit dem Land weitergehen soll. Die Arbeitslosigkeit stieg noch einmal auf einen neuen Rekordwert. Mittlerweile ist jeder Vierte ohne Job.

Das Parlament verabschiedete das Sparpaket am späten Mittwochabend mit hauchdünner Mehrheit. Nur 153 der 176 Regierungsabgeordneten - bei insgesamt 300 Sitzen im Parlament - stimmten den Maßnahmen zu. Danach folgte ein regelrechter Aderlass der Regierungskoalition: Sieben Abweichler - sechs Sozialisten und ein Konservativer - wurden aus den Fraktionen ihrer Parteien ausgeschlossen. Am Donnerstagnachmittag verlor die Regierungskoalition einen weiteren Sitz, nachdem sich noch ein Abgeordneter der Sozialisten für unabhängig erklärt hatte.

Die Einsparungen von insgesamt 13,5 Milliarden Euro in den nächsten zwei Jahren sollen vor allem bei Renten und Gehältern von Staatsbediensteten umgesetzt werden. Die Gewerkschaften rechneten aus, dass jeder Rentner im Durchschnitt etwa 2000 Euro im nächsten Jahr verlieren dürfte. Zugleich wird der Kündigungsschutz gelockert, während auch Abfindungen gekürzt werden.

"Die Entscheidung des griechischen Parlaments für das von der Regierung vorgeschlagene Sparpaket ist ein wichtiges Bekenntnis zur notwendigen Konsolidierungs- und Reformpolitik", sagte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). Dieses Signal werde in der ganzen Euro-Zone gehört. Nach Ansicht der EU-Kommission muss Griechenland aber noch mehr tun, um weitere Milliardenhilfen aus dem Ausland zu erhalten. Die Zustimmung zum Sparpaket sei nur "ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte ein Sprecher des EU-Währungskommissars Olli Rehn.

Die Abstimmung im Parlament war von massiven Protesten von rund 70 000 Menschen begleitet worden. Rund 400 zum Teil vermummte Randalierer lieferten sich mit der Polizei heftige Auseinandersetzungen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, die Vermummten warfen Molotowcocktails auf die Polizei.

Auch nach der Verabschiedung des Sparpakets durch das Parlament wurden in Griechenland die Streiks in einigen wichtigen Bereichen fortgesetzt. Die U-Bahnen, die Stadtbahn und die Taxis standen für weitere 24 Stunden still. Im Zentrum Athens herrschte wie auch in den vergangenen zwei Tagen ein gewaltiges Verkehrschaos. Auch die Rechtsanwälte streikten.

Wie das Statistische Amt in Athen mitteilte, waren im August 1,26 Millionen Menschen der rund elf Millionen Einwohner arbeitslos. Dramatisch ist die Lage vor allem für junge Menschen bis zum Alter von 24 Jahren. Die Arbeitslosenquote belaufe sich in dieser Gruppe auf 58 Prozent. Arbeitslose erhalten in Griechenland nur ein Jahr lang Unterstützung.

Unterdessen gibt es eine Diskussion um die jüngsten Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Europaparlament. Sie musste sich von den Abgeordneten "blinde Austeritätspolitik" vorwerfen lassen. Da platzte ihr der Kragen. Merkel kritisierte die Verantwortlichen in Athen heftig.

Man müsse den Griechen sagen: "Es ist nicht in Ordnung, dass ich jedes Mal einen Streik mache, wenn eine Privatisierung erfolgen soll; es ist nicht in Ordnung, dass ein Eisenbahnsystem durch die Fahrkartenpreise nicht mal so viel einbringt, dass man davon die Beschäftigten bezahlen kann; es ist nicht in Ordnung, wenn die Regierungsministerien nicht miteinander zusammenarbeiten; es ist nicht in Ordnung, wenn man ein Steuersystem hat, aber keine Steuern zahlt."

Wer bestreite, dass die Schuldigen für das griechische Drama in Griechenland selbst zu suchen seien, der "versündigt sich an den Gewerkschaftern und Arbeitnehmern in Europa. Ich werde da sehr leidenschaftlich!" Es sei nicht immer fair, weil die Vermögenden mit ihrem Geld "längst über alle Berge" getürmt seien. Auch Deutschland habe durch dieses Tal der Tränen gemusst.

Der Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth ist von der Griechenlandkritik der Bundeskanzlerin überrascht. "Da ist ihr einfach der Gaul durchgegangen", sagte der Verfasser einer Merkel-Biografie der Nachrichtenagentur dapd. Er sagte aber auch: "Es war richtig, dass Merkel aus ihrer Haut gefahren ist." Schließlich sei sie in Griechenland mit Nazi-Parolen und Hakenkreuzen konfrontiert worden.