China steht vor Generationswechsel in Parteiführung. Das könnte die Chance sein für eine Kehrtwende in der Menschenrechtspolitik.

Peking. Chinas neue Führung muss aus Sicht der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses des europäischen Parlaments, Barbara Lochbihler, die Verfolgung von Kritikern einstellen und die Meinungsfreiheit verbessern. „Nicht jede Kritik an Missständen darf als Zersetzung des Staates betrachtet werden“, sagte die Grünen-Politikern nach einem knapp einwöchigen China-Besuch am Samstag in einem Gespräch in Peking.

Die in China ohne Gerichtsverfahren angeordnete Verwaltungshaft müsse abgeschafft werden. Es müsse ferner ein Ende von Todesstrafe und Folter geben. Die weiter betriebenen Geheimgefängnisse stünden in einem krassen Gegensatz zum Menschenrechtsgedanken. „Hier werden Folter und Misshandlungen Tür und Tor geöffnet“, sagte die frühere Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International. Als Teil einer Delegation von europäischen Parlamentariern führte sie in Peking und Chongqing Gespräche.

Chinas Kommunisten kommen am Donnerstag in Peking zu ihrem 18. Parteitag zusammen, um einen Generationswechsel einzuleiten. Lochbihler rief die künftige Führung auch dazu auf, mit dem Dalai Lama, dem exilierten religiösen Oberhaupt der Tibeter, „wieder ins Gespräch zu kommen“. Unter Hinweis auf die mehr als 50 Selbstverbrennungen von Tibetern aus Protest gegen die chinesische Fremdherrschaft sprach die Ausschussvorsitzende von einer klaren Verschlechterung der Lage der Tibeter. „Es muss eine grundlegende Lösung gefunden werden.“

Kritisch äußerte sich Lochbihler über den jährlich stattfindenden Menschenrechtsdialog zwischen der Europäischen Union und China. „Er ist fast zu einem Ritual verkommen.“ Die Gesprächsrunden hätten „keinerlei Ergebnisse gebracht“, sagte die Ausschussvorsitzende. „Das kann nicht so weitergehen.“ Es müssten klare Ziele gesetzt werden. Der Dialog müsse fokussierter laufen und dort ansetzen, „wo systematisch etwas verändert werden kann“.

Lochbihler wies auf chinesische Bemühungen hin, mehr Rechtssicherheit schaffen zu wollen. Es gehe etwa um die Ausbildung und die notwendige Unabhängigkeit von Richtern und Anwälten. „Das ist eine große Herausforderung.“ Hier könne die Europäische Union Unterstützung anbieten. Allerdings stehe in China die Kommunistische Partei weiter über der Justiz, bemängelte die Ausschussvorsitzende. „Einzelne Mitglieder der Partei dürfen nicht über dem Gesetz stehen.“

Die Meinungsfreiheit habe sich in China trotz der Ausbreitung des Internets eher rückwärts entwickelt, beklagte Lochbihler. Die Zensur werde verschärft. Auch gingen die Behörden mit harten Strafen gegen kritische Internetautoren vor. Eine solche Kontrolle sei mit der Entwicklung einer modernen, wirtschaftsorientierten Gesellschaft unvereinbar. Die Reaktion auf kritische Intellektuelle in China sei „völlig überzogen“: „Sie können nicht sehen, wie wichtig solche Leute für die Entwicklung der Gesellschaft sind.“