Vermutlich Hunderte Todesopfer, Tausende Häuser zerstört, 30 000 Rohingya auf der Flucht

Hamburg. Birma - dieser Name stand jahrzehntelang für eine Militärdiktatur, die Andersdenkende teilweise unfassbar brutal unterdrückte. Der einsame Kampf der demokratischen Oppositionspolitikerin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die 15 Jahre lang wechselweise in Haft und im Hausarrest gehalten wurde, füllte immer wieder die Auslandsberichterstattung der weltweiten Medien.

Fast nicht mehr erwartet, kam im vergangenen Frühjahr die sensationelle Wende: Das Land, das sich selber Myanmar nennt und auch als Burma bekannt ist, bekam eine zivile Regierung; politische Gefangene wurden freigelassen, vorsichtige Reformen eingeleitet, Aung San Suu Kyi durfte als Abgeordnete ins Parlament einziehen.

Doch nun erlebt das Land von fast der doppelten Größe Deutschlands eine Welle ethnisch motivierter Gewalt, die alle politischen Fortschritte bedroht. Fast 90 Prozent der rund 55 Millionen Birmanen sind Buddhisten, neben Christen und einigen anderen Religionsgruppen gibt es noch knapp vier Prozent Muslime. Von diesen sind knapp eine Million Angehörige der Volksgruppe der Rohingya. Sie werden von der Regierung unter Staatspräsident Thein Sein, einem ehemaligen General, jedoch nicht als ethnische Minderheit anerkannt, sondern gelten als illegale Eindringlinge. Die Staatsbürgerschaft wird ihnen daher nicht zuerkannt. Die Uno betrachtet die Rohingya als einer der am härtesten verfolgten Volksgruppen weltweit.

Nachdem es bereits im Juni zu Pogromen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Buddhisten und Muslimen mit Dutzenden Toten gekommen war, sind sie nun wieder blutig aufgeflammt. Auslöser waren Proteste der Rohingya, die seit den letzten Unruhen in Slums und Lagern wohnen müssen. Allein außerhalb der Stadt Sittwe sollen 75 000 Rohingya hausen.

Die Buddhisten schlugen zurück - und mehr als 4600 Häuser wurden bei den Unruhen im westlichen Teilstaat Rakhine zerstört, fast 30 000 Menschen sind auf der Flucht. Wie hoch die Zahl der Todesopfer ist, kann nur geschätzt werden; die Regierung nennt eine Zahl unter 100, andere Quellen sprechen aber vom Mehrfachen. Allein in der Ortschaft Pauk-taw wurden nach Augenzeugenberichten mehr als 1000 Rohingya brutal vertrieben und ihre Häuser niedergebrannt.

Das Nachbarland Bangladesch, in dem bereits eine Viertelmillion Rohingya in Flüchtlingslagern lebt, schloss seine Grenzen zu Birma. "Wir werden keine Ausländer mehr ins Land lassen", sagte ein Sprecher des Grenzbezirks Cox's Bazar. Boote voll mit Flüchtlingen wurden ins Krisengebiet zurückgeschickt. Die Uno warnte vor einer Flüchtlingskatastrophe und rief die Regierung von Thein Sein auf, den Kreislauf von Diskriminierung und Gewalt in Birma zu durchbrechen. "Wenn die Behörden der Ursache nicht auf den Grund gehen, kann es nur noch schlimmer werden", erklärte der Sprecher der Schutzorganisation Human Rights Watch, Phil Robertson.

Eine Parlamentskommission unter Führung von Aung San Suu Kyi forderte erhöhte Sicherheitsvorkehrungen für die Rohingya und eine entschiedenere Verfolgung der Drahtzieher der Pogrome und Gewalttaten.