Blutvergießen dauert an: Diese Woche starben wieder Hunderte Menschen. UN-Vermittler spricht von Bürgerkrieg, den keiner gewinnen kann.

Damaskus. Der syrische Präsident Baschar al-Assad will den blutigen Bürgerkrieg in seinem Land durch Dialog beenden. Gleichzeitig aber lässt er Mitglieder der letzten Oppositionsgruppen, die mit seinem Regime überhaupt noch reden wollen, verhaften.

Assad sagte in einem Interview mit dem ägyptischen Magazin „Al-Ahram Al-Ahrabi“, das am Freitag erschien: „Der Dialog mit der Opposition ist der einzige Weg, um die Krise zu bewältigen.“ Der Wandel dürfe nicht von außen aufgezwungen werden, schon gar nicht durch eine Militärintervention.

Das Nationale Koordinierungskomitee für demokratischen Wandel teilte in der Nacht zum Freitag mit, Mitglieder des Oppositionsbündnisses seien am Donnerstag nach ihrer Rückkehr aus China verhaftet worden. Zwei der Verhafteten hätten als Mitglieder einer Delegation in China mit Vertretern der chinesischen Führung über Auswege aus der aktuellen Krise gesprochen. Abdelasis al-Chair, Ejas Ajasch seien zusammen mit ihrem Mitstreiter Maher Tahan, der sie mit seinem Auto vom Flughafen abgeholt habe, verschleppt worden. Die Sicherheitskräfte hätten sie an einer Straßensperre 100 Meter vom Flughafen Damaskus entfernt aufgegriffen, sagte ein Aktivist.

Hunderte Tote in wenigen Tagen – Syrien Topthema bei UN-Versammlung

Während Assad über einen Dialog spricht, ging das Blutvergießen seit Beginn der Woche weiter. Hunderte Menschen kamen ums Leben. Nach UN-Ansicht sind die Kämpfe in Syrien zu einem „vollwertigen Bürgerkrieg“ eskaliert. Nach heftigen Kämpfen erklärten syrische Oppositionelle am Donnerstag Teile der Hauptstadt Damaskus zum „Katastrophengebiet“. Der Außenbezirk Al Hadschar al-Aswad und ein Lager palästinensischer Flüchtlinge stünden unter Dauerbeschuss, sagte ein Aktivist der Nachrichtenagentur dpa. Seit Wochenbeginn fielen nach Oppositionsangaben Hunderte Menschen dem Konflikt zum Opfer. Allein bei einem Luftangriff auf eine Tankstelle an der Grenze zur Türkei starben am Donnerstag mindestens 30 Menschen.

Der UN-Syrienvermittler Lakhdar Brahimi, der am Wochenende Damaskus besucht hatte, bezeichnete die Situation als „vollwertigen Bürgerkrieg“. In einem Interview mit dem englischsprachigen Dienst des Nachrichtensenders Al-Dschasira sagte er, er glaube nicht daran, dass eine Seite gewinnen werde – weder jetzt noch zu einem späteren Zeitpunkt. Die Vereinten Nationen wollen bei ihrer anstehenden Vollversammlung in New York über die Krise und mögliche Lösungswege beraten.

Syriens Minister für Versöhnung, Ali Haider, sagte am Donnerstag vor Journalisten in Damaskus, dass der Militäreinsatz „gute Fortschritte“ mache. Er kündigte „handfeste Ergebnisse“ innerhalb von einem Monat an. Präsident Baschar al-Assad sagte in einem Interview mit dem ägyptischen Magazin „Al-Ahram al-Arabi“, Syrien werde nicht fallen und der Fall Libyen sich nicht wiederholen. In Libyen hatten die Rebellen nach einem langen Bürgerkrieg den Diktator Muammar al-Gaddafi schließlich mit der Hilfe von Lufteinsätzen westlicher Truppen gestürzt.

Das Blutvergießen dauerte derweil weiter an. Aus Damaskus und Aleppo meldeten Regierungsgegner den Abschuss zweier Helikopter. Wie das syrische Staatsfernsehen berichtete, war ein Hubschrauber in der Nähe der Hauptstadt abgestürzt. Nahe der türkischen Grenze warf nach Oppositionsangaben ein Militärhubschrauber über einer Tankstelle in dem Dorf Ain Issa eine Bombe ab. Neben den rund 30 Toten habe es auch 25 zum Teil schwer Verletzte gegeben. Die Zahl der Opfer sei so hoch gewesen, weil dies die einzige Tankstelle in dem Gebiet gewesen sei, in der noch Benzin zu haben war. Berichte aus Syrien sind wegen der Medienblockade von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen.

Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die Regierungstruppen hätten allein in der Provinz Aleppo seit Wochenbeginn rund 100 „Terroristen“ getötet. Ein Angestellter des Al-Muwasat-Krankenhauses in Damaskus sagte der Oppositionswebsite All4Syria, nach den Kämpfen im Süden der Hauptstadt seien binnen zwei Tagen etwa 300 tote Soldaten und Milizionäre sowie mehr als 150 getötete Zivilisten in die Klinik gebracht worden. Am Donnerstag starben nach Angaben von Oppositionellen landesweit fast 100 Menschen.

Im Irak wurden derweil Vorwürfe aus den USA zurückgewiesen, wonach der Iran Waffen unkontrolliert über den irakischen Luftraum nach Syrien transportiere. Diese Informationen seien falsch, sagte ein Parlamentarier der Nachrichtenagentur dpa in Bagdad.

Der frühere syrische Ministerpräsident Riad Hidschab spielte den Einfluss militanter Islamistengruppen in dem Konflikt herunter. „Ihre Bedeutung für das Geschehen vor Ort wird übertrieben dargestellt“, sagte er am Mittwochabend nach einem Treffen mit dem französischen Außenminister Laurent Fabius in Paris. Der Ex-Regierungschef hatte sich Anfang August von Präsident Baschar al-Assad losgesagt.