Walter-Borjans kündigte an, auch künftig Steuer-CDs aus der Schweiz zu kaufen. Das brachte ihm nun eine Anzeige eines Genfer Anwaltes ein.

Genf. Der Genfer Anwalt Pierre Schifferli hat wegen des Ankaufs von CDs mit Bankdaten mutmaßlicher deutscher Steuerhinterzieher in der Schweiz Strafanzeige gegen Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans erstattet. Der SPD-Politiker verstoße durch den Erwerb gestohlener Datensätze nachweislich gegen Schweizer Recht, sagte der Schifferli am Dienstag.

+++Dieb deutscher Steuerdaten in der Schweiz verhaftet+++

+++Bericht: Steuer-CD brachte Niedersachsen 107 Millionen+++

Er habe die Anzeige beim obersten Schweizer Staatsanwalt Michael Lauber eingereicht, erklärte Schifferli und bestätigte damit zugleich einen entsprechenden Bericht der Zeitung „Tribune de Gèneve“. Der Anwalt wirft Walter-Borjans acht Straftatbestände vor – darunter Hehlerei, Verletzung des Schweizer Bankgeheimnisses, Wirtschaftsspionage, Verrat von Geschäftsgeheimnissen und illegale Beschaffung personenbezogener Daten. Allein auf Wirtschaftsspionage stünden nach Artikel 273 des Schweizer Strafgesetzbuches im Falle einer Verurteilung bis zu drei Jahre Gefängnis.

Die Bundesanwaltschaft in Bern äußerte sich vorerst nicht zu der Anzeige. Sie müsste nach Schweizer Recht zunächst prüfen, ob es überhaupt hinreichende Verdachtsgründe für die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens gegen Walter-Borjans gibt, hieß es in Justizkreisen. Nur wenn dies der Fall wäre und dann auch ein Haftbefehl ausgestellt würde, hätte Walter-Borjans bei einer Reise in die Schweiz eine Festnahme zu fürchten.

Diplomatische Beobachter rechnen nicht damit, dass es soweit kommt. Allerdings wird in Bern auch darauf verwiesen, dass die Schweizer Justiz im März 2012 Haftbefehle gegen drei nordrhein- westfälische Steuerfahnder erlassen hatte. Ihnen wird vorgeworfen, mit dem Ankauf einer Daten-CD Beihilfe zur Wirtschaftsspionage geleistet und gegen das Bankgeheimnis verstoßen zu haben. Ein entsprechendes Amtshilfeersuchen der Schweiz wird jedoch allem Anschein nach von deutschen Behörden völlig ignoriert.

Dass es tatsächlich in der Schweiz zu einem Strafverfahren gegen Walter-Borjans kommt, scheint selbst der Verfasser der Anzeige nicht recht zu glauben. „Die Position des Bundesanwalts ist natürlich eine sehr politische. Er wurde ja bekanntlich vom Schweizer Parlament gewählt“, sagte Schifferli. Er habe die Anzeige beim Bundesanwalt erstattet, weil es um eine internationale Dimension gehe und deshalb allein diese Staatsanwaltschaft zuständig sei.

„Ob ein Verfahren eröffnet wird, ist natürlich auch eine Frage der Politik“, sagte Schifferli. „Es ist klar, dass er (der Bundesanwalt) probieren wird, irgendwelche juristischen Argumente zu finden, die aber eigentlich politisch sind, um diese Ermittlungen nicht zu führen.“ Wenn der Bundesanwalt es wolle, könne er sich bei der Prüfung eines möglichen Verfahrens auch an Deutschland wenden und um Rechtshilfe bitten.

Schifferli stützt sich nach eigenen Angaben unter anderem auf Äußerungen von Walter-Borjans in der Schweizer Fernsehsendung „Arena“. Dort hatte der Minister am vergangenen Freitag bestätigt, dass er auch künftig CDs mit Schweizer Bankdaten zu kaufen gedenke. Die Daten-CDs seien in Deutschland ein wichtiger Bestandteil der Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung. Für den Kauf solcher CDs seien bisher von deutschen Behörden rund zehn Millionen Euro ausgegeben worden, wobei sich Bund und Länder die Kosten geteilt haben.

Damit habe der Minister in aller Öffentlichkeit bestätigt, „dass er die Finanzierung für den Ankauf gestohlener Schweizer Bankdaten organisiert“. Genau das werfe man ihm nun in der Anzeige vor. „Es wird schwierig sein für ihn, die ganze Sache zu bestreiten“, sagte der Anwalt.

Wie viele andere Eidgenossen auch, sagte der 64-Jährige, reagiere er quasi allergisch, wenn „Deutschland unsere Souveränität bedroht“. Die eigentlich Motivation für seine Anzeige sei aber, dass nach seiner Einschätzung die gegenwärtige Schweizer Regierung im Steuerstreit zu schwach sei, um sich gegen Druck von Deutschland, aber auch seitens der USA, Frankreichs und anderer Länder ausreichend wehren zu können.

Mit Material von dpa