Der 57 Jahre alte Regierungschef war zuletzt zwar abgetaucht, doch die Nachricht vom Tod kam unerwartet. Zenawi regierte das Land 17 Jahre lang.

Addis Abeba. Äthiopiens langjähriger Regierungschef Meles Zenawi ist tot. Er sei in der Nacht zum Dienstag gestorben und habe sich zu dem Zeitpunkt für eine medizinische Behandlung im Ausland befunden, sagte Kommunikationsminister Bereket Simon. Ein Sprecher der EU teilte mit, Zenawi sei in Brüssel gestorben. Zenawi wurde 57 Jahre alt. Vor seiner Wahl zum Ministerpräsident war er 1991 vorübergehend Staatsoberhaupt Äthiopiens. Er galt als enger Verbündeter der USA im Kampf gegen den Terrorismus. Kritiker machten ihn für die Tötung und Einsperrung zahlreicher Oppositioneller verantwortlich.

Äthiopiens Staatschef Meles Zenawi überraschend gestorben

Das äthiopische Staatsfernsehen meldete, Zenawi sei kurz vor Mitternacht am Montag an den Folgen einer Infektion gestorben. Der Regierungschef war bereits seit Wochen nicht in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Im Juli hatte er überraschend nicht an einem Gipfel der Afrikanischen Union in der Hauptstadt Addis Abeba teilgenommen. Äthiopische Staatsvertreter sagten, der Regierungschef sei in einer guten Verfassung und werde bald seine Arbeit wieder aufnehmen. Internationale Beobachter hingegen hatten seine Genesung als unwahrscheinlich eingestuft.

Vize-Regierungschef Hailemariam Desalegn übernehme die Amtsgeschäfte und solle nach einer Krisensitzung des Parlaments vereidigt werden, sagte Simon. Neuwahlen sind demnach nicht angesetzt. Im Parlament hat Zenawis Regierungspartei die Mehrheit.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sprach dem äthiopischen Volk sein Beileid aus und bezeichnete Zenawi als „respektierten afrikanischen Führer“. Zugleich äußerte er Bedenken angesichts der Lage der Demokratie in dem ostafrikanischen Land.

Wirtschaftlicher Aufbau, aber Defizite bei Menschenrechten

Zenawi wurde am 8. Mai 1955 geboren. Er wuchs in der nördlichen Stadt Adwa als eines von 13 Kindern auf, die sein Vater mit verschiedenen Frauen hatte. Nachdem Zenawi die auf acht Jahre angelegte Schulausbildung in nur fünf Jahren abschloss, zog er mithilfe eines Stipendiums nach Addis Abeba.

Nach dem Sturz der kommunistischen Militärjunta wurde er 1991 Übergangspräsident. 1995 wurde er zu Ministerpräsidenten gewählt, was ihn auch zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte machte.

Für die USA war Zenawi lange ein wichtiger Verbündeter in Sicherheitsfragen. Äthiopien wurde eine Drehscheibe für den Einsatz von US-Drohnen in Ostafrika, insbesondere in Somalia. Jahrelang unterstützte die Regierung in Washington Äthiopien im Gegenzug mit Hunderten Millionen Dollar.

Menschenrechtler kritisieren indes Zenawis Regierungsbilanz. Zwar habe er viel für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes getan, doch bei den Menschenrechten gebe es klare Defizite, sagte Leslie Lefkow von Human Rights Watch in Afrika. Bei seiner Wiederwahl 2005 hatte die Opposition Zenawi Wahlfälschung vorgeworfen. Bei Demonstrationen griffen die Sicherheitskräfte hart durch, töteten Hunderte Menschen und warfen Tausende ins Gefängnis. Zuletzt wurde Zenawi 2010 für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt – offiziell mit 99 Prozent der Stimmen. Beobachter sagten, die Wahlen hätten nicht internationalen Standards entsprochen.

Äthiopien wird seit Jahren von einer einzigen Partei regiert. Zenawi selbst sagte einst auf die Frage nach seinem politischen Erbe: „Ich kann meine Leistung nicht von der Leistung der Partei trennen.“ (dapd, abendblatt.de)