Richterin: Musikerinnen begingen Sakrileg. Die Staatsanwaltschaft hatte je drei Jahre Haft gefordert. Urteil löst im Ausland scharfe Kritik aus.

Moskau,. Die Musikerinnen der russischen Punk-Band Pussy Riot müssen für ihren regierungskritischen Auftritt in einer Moskauer Kirche zwei Jahre ins Gefängnis. Ein Gericht der Hauptstadt verurteilte die drei jungen Frauen am Freitag wegen „Rowdytums aus religiös motiviertem Hass“, blieb mit seinem Strafmaß jedoch hinter den Forderungen der Anklage zurück. Das Urteil löste international scharfe Kritik aus und warf ein Schlaglicht auf den umstrittenen Umgang Russlands mit der Meinungsfreiheit. Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte das Urteil als unverhältnismäßig hart. Der Prozess führte im Ausland zu einer Welle der Solidarität, während nur wenige Russen Sympathie für die Verurteilten bekennen. Die Verteidigung kündigte Berufung an.

Die drei in Handschellen gelegten Frauen reagierten in einem Glaskasten des stark gesicherten Moskauer Gerichts mit Lachen auf das Urteil, eine von ihnen rollte mit den Augen. Die Staatsanwaltschaft hatte je drei Jahre Haft gefordert. Der Vorwurf „Rowdytum aus religiösem Hass“ hätte den Verurteilten im Alter von 22, 24 und 30 Jahren – zwei von ihnen Mütter – bis zu sieben Jahre Gefängnis einbringen können. Die Musikerinnen haben bereits rund fünf Monate in Haft verbracht, so dass sie nun noch 19 Monate Gefängnis vor sich haben dürften.

Die Angeklagten hätten grob gegen die öffentliche Ordnung verstoßen und mangelnden Respekt gegenüber der Gesellschaft erkennen lassen, sagte die unter Polizeischutz stehende Richterin. Sie seien motiviert von religiösem Hass und Feindseligkeit. Die Richterin bezeichnete das Vorgehen der Frauen in der Kirche als Blasphemie und Sakrileg.

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Die Band-Mitglieder hatten im Februar mit den für ihre Auftritte charakteristischen bunten Sturmmasken über den Gesichtern den Altarraum der Christ-Erlöser-Kathedrale gestürmt und in einem „Punk-Gebet“ lautstark ihre Wut über Wladimir Putin zum Ausdruck gebracht. Sie baten in der Moskauer Hauptkirche die Jungfrau Maria darum, Russland vom damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten zu befreien.

Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte die Entscheidung der Richter. Sie habe bereits den Prozess mit Sorge verfolgt, erklärte Merkel in Berlin. Die Entscheidung der Richter sei unverhältnismäßig hart und stehe mit den europäischen Werten von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie nicht im Einklang. „Eine lebendige Zivilgesellschaft und politisch aktive Bürger sind eine notwendige Voraussetzung und keine Bedrohung für Russlands Modernisierung“, erklärte Merkel.

Auch die US-Botschaft in Russland kritisierte das Strafmaß: Es stehe nicht im Verhältnis zum Vorgehen der Musikerinnen, schrieb die Botschaft in einer auf russisch verfassten Twitter-Meldung. Amnesty International sprach von einem schweren Schlag für die Meinungsfreiheit.

„Dieses Urteil wurde von Wladimir Putin geschrieben“, sagte der russische Oppositionsführer Alexej Nawalni im Gerichtssaal. Die Frauen müssten in Haft, weil Putin persönliche Rache nehme. Ein Sprecher des Präsidenten war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Vor dem Gericht skandierten Hunderte Demonstranten „Schande“ und reagierten auf die Nachricht mit gellenden Pfiffen. Die Polizei nahm Augenzeugen zufolge mindestens 24 Demonstranten fest, darunter auch Oppositionelle.

Die Musikerinnen hatten betont, sie hätten gegen das enge Verhältnis zwischen Staat und orthodoxer Kirche protestiert und keineswegs Kirchenanhänger in ihrem Glauben verletzen wollen. Doch ihr Vorgehen hat die überwiegend vom orthodoxen Christentum geprägte Gesellschaft Russlands gespalten: Viele Russen unterstützten die Forderung nach einer harten Strafe. Andere verlangen Nachsicht. Mitten im Verfahren meldete sich auch Putin selbst mit Appell zur Milde öffentlich zu Wort.

Am Freitag forderte die russisch-orthodoxe Kirche den Staat auf, Barmherzigkeit mit den Verurteilten zu zeigen. Zwar sei ihr Vorgehen in der Kirche als blasphemisch zu verurteilen und die Entscheidung des Gerichts nicht infrage zu stellen. Doch die Behörden sollten Gnade walten lassen in der Hoffnung, dass sich die Taten nicht wiederholten. Die Äußerung deutete darauf hin, dass die Kirche eine Begnadigung durch Putin oder eine Verkürzung der Haftstrafen unterstützen könnte.

Beobachtern zufolge dürfte er vor allem angesichts der internationalen Solidaritätswelle um sein Image besorgt gewesen sein. Für die Musikerinnen setzten sich Popstars wie Madonna, Sting und Paul McCartney ein. Mit öffentlichen Lesungen, Petitionen unter anderem von Amnesty und mitunter spektakulären Auftritten bekundeten Tausende von New York über London bis nach Sofia und Kiew ihre Solidarität. Vor der russischen Botschaft in Berlin kamen am Freitag Dutzende Menschen zusammen.