Acht Jahre lang war Dick Cheney Vizepräsient von George W. Bush, doch nun bricht der Politiker mit seinem ehemaligen Vorgesetzten.

Hamburg. Mit seinem Namen verbinden nicht nur viele Amerikaner Begriffe wie Machtstreben, Skrupellosigkeit und Unbeugsamkeit. Dies hat Richard "Dick" Cheney den Namen "Darth Vader" eingetragen - nach dem dunklen Lord aus dem Hollywood-Epos "Krieg der Sterne". Acht Jahre lang, von 2001 bis 2009, war Cheney - ein Nachfahre von Sir Ralph de Chesney, der 1066 an der Seite Wilhelms des Eroberers in der Schlacht von Hastings focht - der 46. Vizepräsident der USA. Und der wohl mächtigste und zugleich umstrittenste Inhaber dieses Amtes in der US-Geschichte.

Seit der Inauguration des Demokraten Barack Obama befindet sich Cheney in einem Zustand wütender Unruhe. Dass der rechtskonservative Republikaner Obamas "extrem linke" Politik angreifen würde, war vorauszusehen. Doch die jüngsten Meldungen über Dick Cheney sind nichts weniger als eine Sensation.

Hatte der Mann aus Nebraska bislang seinen langjährigen Chef George W. Bush stets gelobt und dessen Politik öffentlich höchsten Respekt gezollt, so schickt sich Cheney nun an, mit dem alten Weggefährten zu brechen.

Das geht aus mehr oder minder gezielten Washingtoner Indiskretionen hervor. Cheney arbeitet derzeit an seinen Memoiren, die im Herbst 2011 bei Simon & Schuster erscheinen sollen. Sein Manuskript pflegt der frühere Vize gern mit Angehörigen der politischen Nomenklatura zu diskutieren - Diplomaten, früheren Kollegen, politischen Autoren und Analysten.

Wie die "Washington Post" berichtete, hört Cheney üblicherweise dabei mehr zu, als dass er selber das Wort ergreift - doch kürzlich geriet er, befragt zu möglichen Zweifeln bezüglich der Bush-Administration, wortreich in Rage. "In der zweiten Amtszeit fühlte er, wie sich Bush von ihm entfernte", enthüllte ein Teilnehmer des elitären Zirkels. Bush sei zum Gefangenen der öffentlichen Meinung geworden und habe sich plötzlich gegen den Rat seines Stellvertreters abgeschottet. Bis dahin war Cheney die graue Eminenz in Washington gewesen, ein amerikanischer Richelieu. Doch dann zeigte er "eine Unabhängigkeit, mit der Cheney niemals gerechnet hatte". Der Düpierte sinnt offenbar auf Rache.

Cheneys gusseiserne Doktrin sei stets gewesen: sich niemals für etwas entschuldigen und niemals etwas erklären, zitiert die "Post" ihre indiskrete Quelle. Bush hingegen sei konziliant geworden - für Cheney sei dies moralische Schwäche.

Der ehemalige Vize erklärte selber, das "Statut der Begrenzungen" bezüglich politischer Geheimnisse "sei abgelaufen". Und wie sein offizieller Biograf Stephen Hayes mitteilte, habe Cheney erklärt: "Wenn der Präsident Entscheidungen traf, mit denen ich nicht einverstanden war, habe ich ihn dennoch unterstützt und nicht an seinem Stuhl gesägt. Jetzt aber reden wir, nachdem wir aus dem Amt geschieden sind. Ich hege sehr starke Gefühle über das, was geschehen ist. Und ich sehe überhaupt keinen Grund, warum ich meine Ansichten nicht ganz klar ausdrücken sollte."