Skandalband verteidigt aber ihren Anti-Putin Protest. Außerdem wollten die drei Frauen die enge Verzahnung von Staat und Kirche kritisieren.

Moskau. Im Prozess gegen die russische Skandalband Pussy Riot haben die drei angeklagten Künstlerinnen sich bei orthodoxen Christen für ihr spektakuläres Punkgebet entschuldigt. Es sei nicht Ziel gewesen, religiöse Gefühle zu verletzen, las Verteidigerin Violetta Wolkowa zum Auftakt des Verfahrens am Montag in Moskau aus einer Erklärung der 22 bis 29 Jahre alten Frauen vor. Zugleich verteidigten die Musikerinnen ihre politische Aktion vom 21. Februar und beteuerten ihre Unschuld. Ihnen drohen bis zu sieben Jahre Haft.

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Die Aktivistinnen erklärten, sie hätten auf die autoritäre und anti-feministische Politik von Kremlchef Wladimir Putin aufmerksam machen wollen. Außerdem wollten sie die enge Verzahnung von Staat und Kirche vor der Präsidentenwahl am 4. März kritisieren. Die Staatsanwaltschaft wies Vorwürfe eines politischen Prozesses hingegen strikt zurück. Die von langer Hand geplante Aktion habe die Gefühle der Gläubigen verletzen sollen.

Die in einen Kasten aus Plexiglas eingesperrten Frauen beantragten mehr Zeit, um sich mit den 3000 Seiten Ermittlungsakten vertraut zu machen. Richterin Marina Syrowa lehnte die Forderung ab, auch den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill als Zeugen vorzuladen.

Die Künstlerinnen hatten in der Moskauer Erlöserkathedrale die Gottesmutter angefleht, Russland von Putin zu erlösen. Menschenrechtler kritisieren das live im Internet übertragene Verfahren als „Schauprozess“.

Und auch in Russland spaltet der Umgang mit der Band Pussy Riot Russlands Kirche. In Brandschriften verurteilt die russisch-orthodoxe Kirche den Skandalauftritt der Punkband Pussy Riot. Doch an der Kirchenbasis rumort es. Längst nicht alle Gläubigen billigen den Umgang mit den schrillen Putin-Kritikerinnen.

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Als Ausgeburt der Hölle und Gesandte des Satans brandmarken Teile der Moskauer Kirchenführung die Frauen der Band Pussy Riot. Gott verurteile die Tat und verlange eine harte Strafe, behauptet der prominente Kirchenfunktionär Wsewolod Tschaplin, der im Patriarchat der russisch-orthodoxen Kirche für die Beziehungen zur Gesellschaft zuständig ist. Und er kritisiert jene Glaubensbrüder, die sich für Milde und Vergebung einsetzen.

Der Fall der Punkband, die Kremlchef Wladimir Putin und Patriarch Kirill ein illegales Machtbündnis vorwerfen, spaltet längst auch Russlands Christen. Es geht um einen Kampf der verschiedenen Lager.

„Der Patriarch glaubt an Putin. Besser sollte er, der Hund, an Gott glauben“, singt die Frauenband. Die Zeile stammt aus dem Lied „Mutter Gottes, du Jungfrau, vertreibe Putin!“, das im Internet zum Aufreger Nummer eins in Russland wurde. Ein Video zeigt auch Szenen eines Auftritts der mit Strickmasken vermummten Frauen in der Erlöserkathedrale in Moskau.

Die Kirche, die der kommunistische Diktator Josef Stalin abreißen ließ, ist nach ihrem Neuaufbau heute wieder das Herz russisch-orthodoxen Christentums. Dass die Angeklagten Nadeschda Tolokonnikowa (22) und Maria Aljochina (24) – beide junge Mütter - sowie Jekaterina Samuzewitsch (29) ausgerechnet hier ein politisches Punkgebet aufführten, empfanden Russlands Christen als beispiellose Gotteslästerung. Deshalb wirft die Staatsanwaltschaft Pussy Riot Rowdytum aus Gründen religiösen Hasses vor.

„Handlungen, die religiöse Gefühle verletzen, sind sehr, sehr gefährlich. Deshalb gibt es auf der Welt Blutvergießen“, sagt der als Hardliner in Kirchenkreisen bekannte Tschaplin. Er sieht wie unter den Kommunisten einen Generalangriff auf den Glauben. „Gerade deshalb muss man mit aller Härte reagieren“, betont Tschaplin in einem Streitgespräch der kremlkritischen Zeitschrift „The New Times“.

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In Brandschriften agitiert der Chefideologe immer wieder gegen die Glaubensbrüder, die sich etwa in kirchlichen Internetforen über die harte Linie der Kirche beklagen und offen die Freilassung von Pussy Riot verlangen. Prominenter Vertreter dieser Position ist der Geistliche Andrej Kurajew, der Tschaplin und seiner Umgebung schwere Fehler im Umgang mit den jungen Musikerinnen von Pussy Riot vorwirft.

Kurajew verurteilt die Aktion zwar ebenfalls als nicht hinnehmbar, meint aber, dass das Patriarchat überregiert habe. „Um diese Aktion ins Leere laufen zu lassen, hätte man gegen dieses Szenario handeln müssen. Also entweder einfach nicht beachten. Oder mit christlicher Liebe reagieren“, sagte er unlängst in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Inhaftierung der Feministinnen schade dem Ruf der Kirche.

Doch längst rumort es auch an der kirchlichen Basis. Mit jedem Tag, den die Frauen im Knast verbringen, kehrten Dutzende Christen der Kirche den Rücken, warnte der Schauspieler Iwan Ochlobystin. Es dürfe nicht der Eindruck verstärkt werden, dass das Patriarchat nur den Machthabern und dem Geld diene, meinte das prominente Kirchenmitglied. „Die Kirche darf nicht mit Gesetzlosigkeit in Verbindung gebracht werden“, schrieb der Ex-Priester in einem offenen Brief an Patriarch Krill.

Russlands Kirche aber reagiert traditionell gereizt auf Kunstaktionen, die an Tabus rühren. Das bekamen auch die Ausstellungsmacher Andrej Jerofejew und Juri Samodurow zu spüren, als ein Gericht sie 2010 wegen Aufwiegelung zu religiösem Hass zu einer Geldstrafe verurteilte. In dem Prozess um die Kunstfreiheit gab die Justiz letztlich den russisch-orthodoxen Christen Recht. Sie sahen sich in der Ausstellung „Verbotene Kunst“ 2007 unter anderem durch eine Micky-Maus-Figur auf Heiligenbildern in ihren Gefühlen verletzt.