Erst hat Premier Ponta mit fragwürdigen Mitteln versucht, in Bukarest die ganze Macht an sich zu reißen. Nun rudert er langsam zurück.

Hamburg. Ganz Europa starrt gebannt auf die Euro-Krise und sucht Lösungswege aus dem Finanzdilemma. Doch im Windschatten der Geldmisere hat sich im Südosten der Gemeinschaft noch ein ganz anders Problemfeld aufgetan: das von erheblichen Demokratiedefiziten. Dabei ist es unerheblich, welcher politischen Richtung die Handelnden angehören - und es ist bedenklich, dass ihr Tun lange Zeit von ihren Fraktionen im Europäischen Parlament zumindest stillschweigend hingenommen und nur von der politischen Konkurrenz attackiert wird.

Da war zunächst der konservative Viktor Orban in Ungarn, der mit einer Zweidrittelmehrheit im Rücken daranging, die Verfassung des Landes nach seinen Wünschen zu ändern. Die Pressefreiheit wurde beschnitten, Hunderte Juristen in den Ruhestand geschickt, die Zentralbank sollte an das politische Gängelband. Es hat lange gedauert, bis sich Europa zu einer Reaktion aufraffen konnte und Orban zu Korrekturen zwang. In der Slowakei regiert der Sozialist Robert Fico mit absoluter Mehrheit. Popularität verschaffte er sich unter anderem mit markigen Sprüchen gegen die Roma und die ungarische Minderheit. Vor allem geht es aber auch ihm darum, die Gelegenheit zu nutzen, die politische Konkurrenz möglichst lange auszuschalten und dem eigenen Lager Macht und Einkünfte zu sichern.

Unter dem Etikett Linksliberal firmiert Rumäniens Regierungschef Victor Ponta. Mit seinem Drei-Parteien-Bündnis versucht eine Elite, ihre Pfründe zu verteidigen. Zu Geld und Einfluss ist sie - wie bei den Nachbarn auch -in den wilden Zeiten der Transformation vom Kommunismus zur Marktwirtschaft vor allem durch nicht immer saubere Privatisierungen und Korruption gekommen. Ponta bedient sich vorzugsweise des Mittels der Eildekrete. So wurde das Verfassungsgericht in seinen Rechten beschnitten. Zudem betreibt er die Amtsenthebung seines politischen Erzrivalen, des konservativen Präsidenten Traian Basescu.

Immerhin musste Ponta gestern in Brüssel antreten und auf Vorwürfe reagieren, er habe mit seinen Notverordnungen gegen rechtsstaatliche Grundsätze der Europäischen Union verstoßen. Schon vor seinem Eintreffen hatte EU-Justizkommissarin Viviane Reding den Druck auf ihn erhöht. Es sei möglich, dass Rumäniens Beitritt zum "grenzfreien" Schengen-Raum von den EU-Regierungen auf Eis gelegt, die Urteile rumänischer Gerichte nicht mehr anerkannt und Sonderkontrollen der Rechtsstaatlichkeit durch die Kommission noch jahrelang fortgesetzt würden, sagte die für offene Worte bekannte konservative Luxemburgerin. Die Kommission werde kommenden Mittwoch entscheiden, wie sie weiter im Fall Rumänien vorgehe.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zeigte sich nach seinem Treffen mit Ponta "tief besorgt" über die derzeitige politische Entwicklung in Rumänien". Danach musste Ponta noch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso Rede und Antwort stehen. Der unterbreitete ihm einen ganzen Forderungskatalog: Rumäniens Regierung müsse die Unabhängigkeit der Justiz achten, die Befugnisse des Verfassungsgerichts wieder herstellen und sicherstellen, dass dessen Beschlüsse umgesetzt werden. Zudem müsse ein Ombudsmann zur Bekämpfung der Korruption eingesetzt werden, es müsse ein neues und transparentes Verfahren für die Ernennung eines Generalstaatsanwaltes und eines Direktors der Anti-Korruptionsbehörde geben. Ponta habe versprochen, dass er "unverzüglich" all jene Maßnahmen ergreifen werde, die in die Zuständigkeit der Regierung fielen, teilte Barroso mit.

Tatsächlich wurden zur gleichen Zeit im heimatlichen Bukarest bereits erste Maßnahmen ergriffen, um faire Spielregeln für das am 29. Juli geplante Absetzungs-Referendum über Präsident Basescus festzulegen. Es ist nun nur gültig, wenn mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten daran teilnimmt. Nach Pontas ursprünglichem Plan hätte für das Referendum keine Mindestbeteiligungsquote gelten sollen. Theoretisch hätte ein einziger Rumäne, der zur Urne geht, Basescu aus dem Amt jagen können. Dies hatte Ponta in Gesetzesform und per Eildekret durchgesetzt.

Der Anfang zu einem Kurswechsel scheint gemacht. Trotzdem hat gestern die Bundesregierung den rumänischen Botschafter einbestellt. Ihm wurde mitgeteilt, die politische Entwicklung gefährde "in ernsthafter Weise das Prinzip der Gewaltenteilung".