Senat stimmt Spar- und Reformpaket zu - Zustimmung des Abgeordnetenhauses am Samstag erwartet - Neue Regierung unter Monti noch am Wochenende denkbar - Zinsen für italienische Anleihen sinken

Rom. In Italien hat der Senat das von der EU geforderte scharfe Reform- und Sparpaket verabschiedet. Damit rückt ein Abtritt von Regierungschef Silvio Berlusconi noch am Wochenende näher. Eine neue Regierung unter Führung des ehemaligen EU-Kommissars Mario Monti könnte noch vor Öffnung der Finanzmärkte am Montag benannt werden. Sie soll das Vertrauen der Investoren in das Land wieder herstellen und Italien zunächst durch die Schuldenkrise führen. Am Freitag reagierten Anleger bereits positiv auf die Entwicklung: Die Zinsen, die die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone für neue Kredite zahlen muss, sanken weiter auf deutlich unter sieben Prozent.

Damit das neue Finanz-Stabilitätsgesetz in Kraft treten kann, muss ihm noch das Abgeordnetenhaus zustimmen. Dessen Votum wird für Samstag erwartet, eine Zustimmung gilt als sicher. Unter anderem ist Vorgesehen, Staatsbesitz zu verkaufen und die Erlöse zur Schuldentilgung einzusetzen. Das Alter für den Renteneintritt soll hochgesetzt werden, und Firmen sollen Steueranreize für der Einstellung junger Arbeitsloser erhalten.

Die Regierung hatte auf Druck der Euro-Partner Strukturreformen zugesagt, um das Wachstum auf Trab zu bringen, darunter eine Deregulierung am Dienstleistungsmarkt, eine Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und die Lockerung des Kündigungsschutzes. Das Land wird dabei wie die Sanierungsfälle Griechenland, Irland und Portugal von einer Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) überwacht.

Berlusconi hat seinen Rücktritt nach Billigung des Gesetzes durch beide Kammern angekündigt. Er hat bereits für Samstagabend eine Kabinettssitzung einberufen. Staatspräsident Giorgio Napolitano könnte noch am gleichen Tag Berlusconis Rücktrittsgesuch annehmen.

Als Favorit für die Nachfolge gilt Monti. Dem international angesehenen Politiker wird am ehesten zugetraut, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden und die Sparbeschlüsse umzusetzen. Der 68-Jährige hat die Unterstützung der größten Oppositionspartei PD und der meisten Parteien der politischen Mitte. Unklar ist aber, wie stark Montis Rückhalt in Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PDL) ist. Dessen Koalitionspartner Lega Nord will Monti nicht stützen.

Wer der Übergangsregierung als Minister angehören wird, ist noch unklar. In den Medien wurde aber spekuliert, Berlusconis Stabschef Gianni Letta könne unter Monti stellvertretender Ministerpräsident werden. Letta gilt als einer der am besten vernetzten Politiker Italiens. Der ehemalige Regierungschef und Finanzminister Guiliano Amato könnte als Innenminister ins Kabinett einziehen. Als Wirtschaftsminister wird Fabrizio Sacomanni gehandelt. Als Finanzminister ist unter anderem Vittorio Grilli im Gespräch, der Vorsitzende des EU-Wirtschafts- und Finanzausschusses. Auch das bisherige EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi könnte der Regierung angehören. Die EZB hatte erst am Vortag mitgeteilt, Bini Smaghi werde ab 1. Januar an der US-Universität Harvard arbeiten.

Wichtigste Aufgabe der neuen Regierung ist es, Vertrauen am Markt zurückzugewinnen und so die zuletzt stark gestiegenen Zinsen für Staatsanleihen wieder auf verträgliches Niveau zu bringen. Allein bis Jahresende muss Italien Anleihen im Wert von knapp 60 Milliarden Euro refinanzieren, bis Oktober 2012 sind es fast 326 Milliarden. Dafür braucht Italien frisches Geld von Investoren. Jeder Prozentpunkt mehr an Zinsen kostete das ohnehin schon hoch verschuldete Land weitere Milliarden.

Die Risikoaufschläge, die Investoren für zehnjährige italienische Papiere im Vergleich zu den deutschen Pendants verlangen, gingen unterdessen weiter zurück. Die Rendite lag 6,678 Prozent unter der Sieben-Prozent-Marke. Am Mittwoch waren die Renditen auf einen Rekord von 7,5 Prozent geklettert. Als „rote Linie“, ab der eine Finanzierung auf Dauer nicht mehr zu schultern ist, gelten sieben Prozent. Irland und Portugal hatten sich unter den Rettungsschirm geflüchtet, weil sie nur noch oberhalb des Werts von Anlegern Geld bekommen hätten.

Berlusconi hatte am Dienstag die Konsequenz aus dem Verlust der Parlamentsmehrheit gezogen und seinen Rücktritt angekündigt. Der in zahlreiche Sex- und Korruptionsskandale verwickelte 75-Jährige Medien-Milliardär hat die Politik Italiens in den vergangenen 17 Jahren fast durchgängig dominiert.

Die USA hatten vor der Abstimmung am Freitag Europa zur schnellen Lösung der Finanzkrise aufgefordert. US-Präsident Barack Obama telefonierte dazu am späten Donnerstagabend mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy und dem italienischen Präsidenten Giorgio Napolitano. US-Finanzminister Timothy Geithner erklärte, die Krise in Europa sei die zentrale Bedrohung für das weltweite Wachstum. Europa müsse schnell einen Plan zur Wiederherstellung der finanziellen Stabilität vorlegen.

EFSF-Chef Klaus Regling forderte, Italien müsse sich schnellstmöglich mit einer funktionierenden Regierung gegen die Schuldenkrise stemmen. Dem Land laufe die Zeit davon, um die Finanzmärkte zu beruhigen, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Der Euro-Schutzschirm EFSF sei bereit, Italien zu helfen.

Mit Material von dpa, rtr und dapd